Nicht jeder Euro, den man als Einkommen erhält, wird besteuert. Und es fallen auch nicht auf jeden Euro Steuern in gleicher Höhe an. Wie die progressive Einkommensbesteuerung genau funktioniert klärt der folgende Lernabschnitt.

Aus steuerlicher Sicht wird in Deutschland zwischen sieben verschiedenen Arten von Einkünften unterschieden, auf die Steuern zu entrichten sind. Dies sind Einkünfte aus

  • Land- und Forstwirtschaft,
  • Gewerbebetrieb,
  • selbstständiger Arbeit,
  • nichtselbstständiger Arbeit,
  • Kapitalvermögen,
  • Vermietung und Verpachtung sowie
  • sonstige Einkünfte.

Nicht die gesamten Einkünfte, die eine Person erzielt, werden zur Berechnung der zu zahlenden Einkommensteuer herangezogen: Auf diese Einkünfte können aus verschiedenen Gründen Abzüge erfolgen. Beispielsweise können Beiträge, die man für die Altersvorsorge zahlt, abgezogen werden. Dadurch fällt das Einkommen, auf das Steuern gezahlt werden muss, geringer aus als die Einkünfte. Ein weiteres Beispiel sind steuerliche Freibeträge, die z. B. Eltern für ihre Kinder erhalten. Auch diese können das Einkommen reduzieren, das schließlich der Besteuerung unterworfen wird. Erst auf dieses zu versteuernde Einkommen wird dann der Steuertarif angewendet.

Einkünfte aus Höhe im Jahr 2017 (Mrd. €)
Land- und Forstwirtschaft 10,6
+ Gewerbebetrieb 159,6
+ Selbstständiger Arbeit 89,1
+ Nichtselbstständiger Arbeit 1310,5
+ Kapitalvermögen 7,5
+ Vermietung und Verpachtung 36,1
+ Sonstige Einkünfte 83,2
= Summe der Einkünfte 1696,7
Altersentlastungsbetrag 4,1
Entlastungsbetrag für Alleinerziehend 2,3
Sonstige Abzüge 0,3
= Gesamtbetrag der Einkünfte 1689,9
Verlustabzug 4,4
Sonderausgaben 215,7
außergewöhnliche Belastungen 14
Altersvorsorgebeiträge 6,3
Steuerbegünstigungen 0,5
= Einkommen 1452,1
Kinderfreibetrag 32,5
Sonstige Abzüge 0,2
= Zu versteuerndes Einkommen 1419,4

Tabelle „Von den Einkünften zum zu versteuernden Einkommen“. Quelle: BMF: Datensammlung zur Steuerpolitik 2023.

Es mag sich nun vielleicht komisch anhören, aber nicht für jeden Euro des zu versteuernden Einkommens bezahlt man gleich viel Steuern. Vielmehr steigt der Steuersatz von Euro zu Euro an (zumindest in einem bestimmten Bereich der Einkommenshöhe): Gerade das ist ja der Sinn einer progressiven Einkommensbesteuerung.

Dies lässt sich am besten mit einem Blick auf die Anwendung unten erläutern. Dort kannst du das zu versteuernde Jahreseinkommen mithilfe des Schiebereglers bestimmen. Im Ausgangszustand liegt es bei 0 Euro. Wähle hier zunächst ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb von 10.000 Euro. Wie du siehst, zahlt ein Single für die ersten 10.347 Euro, die er im Jahr verdient (Stand 2022), gar keine Einkommensteuer. Der Grenzsteuersatz liegt wie der Durchschnittssteuersatz bei 0 Prozent. Dieser Grundfreibetrag in der Einkommensteuer liegt darin begründet, dass der Staat auf das Existenzminimum keine Steuern erhebt. Da sich die Preise der Güter durch die Inflation regelmäßig erhöhen, muss auch dieser Freibetrag immer wieder angepasst werden.

Sobald ein Single mehr als 10.347 Euro verdient, wird Einkommensteuer fällig. Auf den 10.348. Euro fällt ein Grenzsteuersatz von 14 Prozent an, das heißt, es müssten theoretisch 14 Cent Steuern an das Finanzamt überwiesen werden, denn die ersten 10.347 Euro bleiben ja nach wie vor steuerfrei. Dieser Grenzsteuersatz steigt dann linear in zwei Progressionszonen an. Dies wird durch die roten Linien in der Abbildung dargestellt: Von 14 Prozent bei einem Einkommen von 10.348 Euro bis zu 24 Prozent bei einem Einkommen von 14.926 Euro in der ersten Progressionszone und dann in der zweiten Progressionszone bis zu einem Grenzsteuersatz von 42 Prozent, der ab einem jährlichen Einkommen von 58.596 Euro beginnt.

  • Erhöhe mit dem Regler das zu versteuernde Einkommen, um zu sehen, wie hoch der Grenzsteuersatz bei der entsprechenden Einkommenshöhe ausfällt, während du die beiden Progressionszonen durchquerst.

Ab einem Einkommen, das oberhalb der zweiten Progressionszone liegt, steigt der Steuersatz dann nicht mehr an, sondern liegt einheitlich bei 42 Prozent, in der Anwendung dargestellt durch eine Linie parallel zur horizontalen Achse. Diesen Bereich nennt man auch Proportionalzone I. Manchmal wird der Grenzsteuersatz von 42 Prozent in dieser Zone auch „Spitzensteuersatz“ genannt, obwohl das nicht ganz korrekt ist: Schließlich gibt es noch einen höheren Steuersatz von 45 Prozent, den alle zahlen, die mehr als 277.825 Euro im Jahr verdienen (nach wie vor geht es hier um das zu versteuernde Einkommen eines Singlehaushalts). Der Grenzsteuersatz in dieser zweiten Proportionalzone wird manchmal auch „Reichensteuer“ genannt.

Nochmal zur Erinnerung: Der höchste angegebene Grenzsteuersatz fällt immer nur auf den letzten verdienten Euro an, nicht auf jeden Euro. Jemand, der beispielsweise 58.597 Euro verdient, bezahlt auf einen dieser Euros einen Steuersatz von 42 Prozent; alle anderen Euros werden geringer besteuert. Und auch jemand, der „Reichensteuer“ bezahlt, zahlt nicht auf jeden Euro seines zu versteuernden Einkommens 45 Prozent Einkommenssteuer, sondern auch für sie gelten der Freibetrag sowie die niedrigeren Steuersätze in den Progressionszonen.

Und was ist jetzt der Durchschnittssteuersatz?

Eine Aussage wie „Ich zahlen mit meinem Jahreseinkommen von 60.000 Euro den Spitzensteuersatz!“ mag korrekt sein – vorausgesetzt, hier wird a) vom zu versteuernden Einkommen gesprochen und b) mit Spitzensteuersatz ist nicht der eigentlich höchste Grenzsteuersatz von 45 Prozent gemeint.

Es wäre aber eine Fehlinterpretation, wenn man daraus schließen würde, dass dies zu einer Einkommenssteuer von 25.200 Euro (0,42 × 60.000 Euro) führt. Denn den Spitzensteuersatz zahlt die Person nur auf alle Euros oberhalb von 58.596 Euro. Alle Euros darunter werden niedriger oder gar nicht besteuert. Tatsächlich zahlt im Jahr 2022 eine Alleinstehende mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro Einkommenssteuern in Höhe von 15.863 Euro – also rund 10.000 € weniger, als die fehlerhafte Rechnung oben ergeben hätte.

Wenn man wissen möchte, wie groß der Anteil der zu zahlenden Steuern am zu versteuernden Jahreseinkommen insgesamt ist, kann man diese zueinander in ein Verhältnis setzen. Man erfährt so, mit welchem Prozentsatz jeder Euro durchschnittlich belastet wird:

Durchschnittsbelastung = \(\frac{\text{Einkommensteuer}}{\text{zu versteuerndes Einkommen}}\)

Dieser Durchschnittssteuersatz wird in der Anwendung oben durch die blaue Linie dargestellt. An deren Verlauf erkennst du, dass es tatsächlich eine progressive Einkommensbesteuerung gibt: Je höher das Einkommen, um so größer der Anteil, der daran an Steuern zu entrichten ist. Wir sehen auch, dass der Anstieg der Progression immer flacher wird, je höher das Einkommen ausfällt, was damit zu tun hat, dass in den Proportionalzonen die Grenzsteuersätze nicht mehr ansteigen.

Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro müssen also Steuern in Höhe von rund 26,4 Prozent dieses Einkommens abgeführt werden: Von jedem Euro gehen im Schnitt rund 26 Cent an das Finanzamt. Diese Angabe ist erheblich hilfreicher, als wenn man nur den Grenzsteuersatz kennt und daraus möglicherweise falsche Rückschlüsse zieht. Hier sei auch nochmal daran erinnert, dass sich diese rund 26 Prozent nur auf das zu versteuernde Einkommen beziehen und nicht auf die Summe aller Einkünfte. Der prozentuale Anteil der Einkommenssteuer hieran würde nochmal niedriger ausfallen.

Video „Wie werden Einkommen in Deutschland besteuert?“ von Achim Truger/Institut für Sozioökonomie, CC BY 3.0. Das Video wird von youtube.com eingebettet.

Der Text im Lernabschnitt „Wie funktioniert die progressive Einkommensteuer?“ von Julian Becker ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

GeoGebra-Element „Grenz- und Durchschnittssteuersatz von Julian Becker, erzeugt mit GeoGebra ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz. Bitte beachten Sie außerdem die GeoGebra Lizenz.

Das Video „Wie werden Einkommen in Deutschland besteuert?“ von Achim Truger/Institut für Sozioökonomie ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Lizenz.