Bisher haben wir uns in diesem Kapitel vor allem mit der Besteuerung von Einkommen beschäftigt. Doch wie wir am Anfang gesehen haben, ist die Verteilung der Vermögen viel ungleicher als die der Einkommen. Wie sieht es also mit der Besteuerung der Vermögen aus?

Die Idee, Vermögen zu besteuern, ist nicht besonders neu: Hinweise auf eine Vermögensteuer finden sich schon in der Bibel, aber selbst diese sind nicht die ersten Verweise: Schon im alten Babylonien und Ägypten soll es Formen einer solchen Abgabe gegeben haben. Bis eine Vermögensteuer in Deutschland eingeführt wurde, dauerte es allerdings einige Zeit: Erstmals 1922 wurde in der Weimar Republik eine Vermögenssteuer erhoben.

Diese Erhebung wurde dann in der Bundesrepublik fortgesetzt. Der Anteil, den die Vermögensteuer am gesamten Steueraufkommen ausmachte, sank dabei von ca. 1,8 Prozent im Jahr 1970 auf knapp über ein Prozent im Jahr 1996. Dann endete die Geschichte der Vermögensteuer in Deutschland vorerst: Seit 1997 wird sie nicht mehr erhoben. Allerdings ist sie nicht abgeschafft worden, sondern nur ausgesetzt. Auf die Gründe dafür kommen wir unten zu sprechen.

Obwohl die Vermögenssteuer somit gegenwärtig nicht erhoben wird, wird immer wieder über ihre Wiedereinführung diskutiert. Mehrere Parteien haben dies bei der letzten Bundestagswahl als Ziel formuliert. Doch wie funktioniert das mit der Vermögensbesteuerung eigentlich genau?

Wenn heute von einer Vermögensteuer gesprochen wird, ist damit meist eine jährliche Steuer auf das Nettovermögen (also Vermögen abzüglich Schulden) einer Steuerpflichtigen gemeint. Steuerpflichtig sind nicht nur Finanzvermögen, sondern ebenso Immobilien- und Betriebsvermögen. Die Regelmäßigkeit der Steuer unterscheidet sie von einer einmalig zu zahlenden Vermögensabgabe, für die es ebenfalls historische Vorbilder gibt – beispielsweise den Lastenausgleich nach dem 2. Weltkrieg. Außerdem gibt es abgesehen von einer Vermögensteuer auch noch andere vermögensbezogene Steuern, in Deutschland z. B. die Erbschaftsteuer und die Steuer auf Grundbesitz (Grundsteuer), die durchaus erhoben werden.

Schaut man sich Modelle einer Vermögensteuer an, so sehen diese meist einen gewissen Freibetrag vor. Eine Vermögensteuer muss also erst gezahlt werden, wenn diese Summe überschritten wird. So können kleine bis mittlere Vermögen vor einer Besteuerung geschützt werden. Sonderregeln werden beispielsweise auch für selbstgenutztes Immobilieneigentum vorgeschlagen. Gegenwärtig diskutierte Modelle der Vermögensteuer sehen häufig einen Freibetrag in Höhe eines Nettovermögens von 1 Million Euro vor. Besteuert würden in diesem Fall also „Vermögensmillionäre“.

Über die Höhe des Steuersatzes kann dann geregelt werden, ob durch die Vermögensteuer nur der Umfang der jährlichen Vermögenseinkommen reduziert wird oder die Vermögensungleichheit abgebaut wird. Liegt der Steuersatz niedriger als die Rendite, die durch das Vermögen erzielt wird, fällt „nur“ das jährliche Vermögenseinkommen niedriger aus. Liegt der Steuersatz hingegen oberhalb der Rendite, würde das Vermögen von Jahr zu Jahr reduziert werden. Dies nennt man auch Substanzbesteuerung, wogegen es in Deutschland allerdings rechtliche Bedenken gibt. Auch eine progressive Ausgestaltung einer Vermögensbesteuerung ist denkbar, also mit der Höhe des Vermögens steigende Steuersätze. Gegenwärtig diskutierte Modelle der Vermögensteuer kalkulieren mit Steuersätzen, die bei ca. 1 Prozent des Nettovermögens (abzüglich Freibetrag) liegen oder z. B. progressiv von unter 1 Prozent auf knapp über 1 Prozent steigen.

Allerdings müssten für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer zunächst die Probleme ausgeräumt werden, die zu ihrer Aussetzung seit dem Jahr 1997 geführt haben. Diese geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück, das 1995 die Vermögenssteuer in der damaligen Form als verfassungswidrig einstufte. Die Begründung war, dass Immobilien in der Besteuerung günstiger gestellt seien, da der Wert der Grundstücke sich nicht den Marktpreisen anpasse. Grund- und Immobilienvermögen wurden also geringer belastet als andere Vermögensarten – ein Verstoß gegen das Gebot des Leistungsfähigkeitsprinzips in seiner horizontalen Ausprägung („gleiche Leistungsfähigkeit muss zu gleicher Besteuerung führen.“)

Die damalige Regierung aus CDU/CSU und FDP entschied sich dazu, die Bewertung des Immobilienvermögens nicht zu reformieren, wodurch die Vermögensteuer seitdem nicht mehr erhoben werden darf. Auch die folgenden Regierungen haben bisher keinen Reformversuch unternommen. Nach wie vor hat die Vermögensteuer aber eine gesetzliche Grundlage. So wird sie z. B. in § 106 des Grundgesetzes erwähnt.

Dementsprechend verwundert es nicht, dass eine verfassungskonforme Wiederbelebung der Vermögensteuer in Wissenschaft und Politik diskutiert wird. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Argumenten, die dagegensprechen, wieder eine Vermögensteuer einzuführen. Diese Kontroverse zwischen Anhängerinnen und Gegnerinnen einer Vermögensteuer schauen wir uns im folgenden Lernabschnitt an.

Der Text im Lernabschnitt „Kontroverse um die Vermögensteuer: Was ist eine Vermögensteuer?“ von Julian Becker ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.