Kapitel 3: Wie lässt sich die Wirtschaft stabilisieren? Kontroversen um Konjunktur und Krisen

Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft nicht immer stabil. Sie ist ständig kleineren Schwankungen ausgesetzt. Manchmal kommt es auch zu starken Einbrüchen. Doch warum entstehen diese Schwankungen? Was kann die Wirtschaftspolitik tun, um für mehr Stabilität zu sorgen? Und was waren die Ursachen der großen globalen Wirtschaftskrisen seit 2007 aus Sicht verschiedener Perspektiven?

In Kapitel 1 haben wir uns angeschaut, was das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist und was man unter realem Pro-Kopf-Wachstum des BIP verstehen kann. In einer geschichtlichen Betrachtung lässt sich erkennen, dass ein positives Pro-Kopf-Wachstum ein eher junges Phänomen ist: Bis vor etwas mehr als 200 Jahren wuchs das reale Pro-Kopf-BIP weltweit und im langfristigen Trend praktisch gar nicht, obwohl es immer wieder Zeiten mit guter und schlechter Wirtschaftsentwicklung gab, die zum Beispiel mit der klimatischen Entwicklung zusammenhingen. Erst seit dem Übergang zu einer industriellen (und in den meisten Ländern kapitalistischen) Produktionsweise ist ein anhaltender, langfristiger Wachstumstrend zu beobachten, der nach und nach immer mehr Länder erfasst hat.

Das Welt-BIP seit dem Jahr 1500

„Das Welt-BIP seit dem Jahr 2015“ von Julian Becker, CC BY 4.0. Angaben in internationalen $ in Preisen von 2011.  Quelle der Daten: Our World in Data, basierend auf „Global Gross Domestic Product (GDP) – World Bank, Maddison Project Database – Historical data“ [dataset]. World Bank, „World GDP“ [original data].

Das Wachstum in modernen Volkswirtschaften verläuft allerdings auch heute nicht immer stabil. Vielmehr ist es ständig kleineren regelmäßigen Schwankungen, und manchmal auch plötzlichen kräftigen Einbrüchen, ausgesetzt. In der Wirtschaftsforschung nennt man solche kleineren Schwankungen der Gesamtwirtschaft um einen Wachstumstrend herum „Konjunktur“. Deren Analyse unterscheidet man typischerweise von der Untersuchung größerer Einbrüche (Wirtschaftskrisen). Die Wirtschaftspolitik versucht dabei, mit der Konjunkturpolitik sowohl die kleineren Schwankungen in den Griff zu kriegen (schließlich hat sie sich dem Ziel des „stetigen Wachstums“ verpflichtet), als auch große Krisen zu vermeiden. Erstere sind zum Beispiel mit (konjunktureller) Arbeitslosigkeit verbunden, während letztere erhebliche wirtschaftliche, politische und soziale Probleme mit sich bringen.

Das Auf und Ab des BIP in den vergangenen Jahren

Auch in den letzten Jahrzehnten ist das konjunkturelle Auf- und Ab ein ständiger Begleiter der deutschen Wirtschaft gewesen. Aufschwungsphasen mit sinkender Arbeitslosigkeit und kräftigeren Lohnsteigerungen wechselten sich mit Abschwungphasen ab, in denen die Arbeitslosigkeit wieder anstieg. Doch wie genau ist die Entwicklung eigentlich verlaufen? Was hat die Wirtschaftsgeschichte der letzten Jahre geprägt? Das schauen wir uns im Auftakt an. Außerdem gucken wir, wie die Konjunkturaussichten zurzeit sind und wie Wissenschaftlerinnen versuchen, die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu prognostizieren. Solche Prognosen spielen für die Politik, aber auch alle anderen wirtschaftlichen Akteure eine wichtige Rolle.

Wer dabei eine Prognose zur Konjunkturentwicklung machen will, der muss sich darüber Gedanken machen, was für die Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten verantwortlich ist. Solche theoretischen Überlegungen lernen wir im ersten Schwerpunkt kennen. Wir schauen uns dabei ein Modell des Konjunkturzyklus an und lernen den Begriff der „Output-Lücke“ kennen. Wir begegnen außerdem zwei alten Bekannten – der Neoklassik und dem Keynesianismus. Und wir sehen, wie eine Synthese aus beiden Perspektiven aussieht. Sind mit dieser Synthese alle Kontroversen um die Konjunkturpolitik geklärt?

Krise: Der außergewöhnliche Einschnitt

Von Zeit zu Zeit kommt es schließlich auch zu großen Einschnitten in der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Wirtschaftskrise bricht aus. In einem solchen Fall sind meist auch andere gesellschaftliche Bereiche betroffen. Soziale Spannungen sowie politische Konflikte entstehen. Eine Wirtschaftskrise mit globalen Ausmaßen war die „Große Rezession“ von 2008. Sie begann als Krise am amerikanischen Immobilienmarkt und breitete sich dann über große Teile der Welt aus. Manche ihrer Nachwirkungen können wir bis heute spüren. Doch was waren eigentlich die Auslöser und Ursachen dieser Krise? Dieser Frage und den Kontroversen, die sich darum entwickelt haben, widmen wir uns in einem zweiten Schwerpunkt.

Der Text „Kapitel 3: Wie lässt sich die Wirtschaft stabilisieren? Kontroversen um Konjunktur und Krisen“ von Julian Becker, Till van Treeck ist lizenziert unter CC BY 4.0.

Die Abbildung „Das Welt-BIP seit dem Jahr 1500“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Our World in Data, basierend auf „Global Gross Domestic Product (GDP) – World Bank, Maddison Project Database – Historical data“ [dataset]. World Bank, „World GDP“ [original data].

2024-04-12T15:10:30+00:00

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