Unter Konjunktur versteht man üblicherweise kurzfristige Schwankungen des Bruttoinlandsprodukts um einen Wachstumstrend herum. Diese Schwankungen des BIP bzw. seiner Wachstumsraten hängen  mit anderen wirtschaftlichen Faktoren – z. B. der Arbeitslosenquote oder den Investitionen in einer Volkswirtschaft – eng zusammen. Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, müssen wir unser Wissen aus Kapitel 1 auffrischen und erweitern.

#VGR

In Kapitel 1 hast du gesehen, wie man Wachstumsraten des BIP errechnen kann und wie reales und nominales BIP voneinander unterschieden werden können. Erinnerst du dich noch? Hier nochmal eine kurze Wiederholung:

Das BIP in Deutschland, 2010–2022

nominales BIP (Mrd. €) reales BIP (Mrd. €, Preise von 2015) Preisniveau (2015 = 100) Wachstum: nominales BIP (in Prozent) Wachstum: Preisniveau (in Prozent) Wachstum: reales BIP (in Prozent)
2010 2564,4 2783,2 92,1
129,2 109,2
2011 2693,6 2892,4 93,1 5,04 1,07 3,92
51,7 12,1
2012 2745,3 2904,5 94,5 1,92 1,48 0,42
66 12,7
2013 2811,3 2917,2 96,4 2,40 1,97 0,44
116,1 64,5
2014 2927,4 2981,7 98,2 4,13 1,83 2,21
98,8 44,5
2015 3026,2 3026,2 100 3,38 1,80 1,49
108,5 67,5
2016 3134,7 3093,7 101,3 3,59 1,28 2,23
132,5 82,9
2017 3267,2 3176,6 102,9 4,23 1,55 2,68
98,2 31,2
2018 3365,4 3207,8 104,9 3,01 1,91 0,98
107,9 33,8
2019 3473,3 3241,6 107,1 3,21 2,05 1,05
-67,9 -119,8
2020 3405,4 3121,8 109,1 -1,95 1,83 -3,70
196,4 82
2021 3601,8 3203,8 112,4 5,77 2,94 2,63
265,3 57,2
2022 3867,1 3261 118,6 7,37 5,23 1,79

Das BIP in Deutschland, 2010–2022. Quelle der Daten: AMECO-Datenbank der EU-Kommission, eigene Berechnung.

Im Jahr 2021 betrug das nominale BIP in Deutschland 3601,8 Milliarden Euro (das sind rund 3,6 Billionen Euro). Im Jahr 2022 betrug das nominale BIP rund 3867,1 Milliarden Euro. Im Verhältnis zum Vorjahr fiel das BIP also um 265,3 Milliarden Euro größer aus.

Man könnte auch sagen: Das BIP ist im Vergleich zum Vorjahr um 265,3 Milliarden Euro gewachsen. Dabei darf sich aber nicht der gedankliche Fehler einschleichen, das BIP für eine Bestandsgröße zu halten (den Unterschied zwischen Strom- und Bestandsgrößen erklären wir ausführlich in einem anderen Lernabschnitt). Denn anders als z. B. beim Körperwachstum, bei dem man die Veränderung des Bestandes „Körpergröße“ zwischen zwei Zeitpunkten beschreibt, wird mit dem Begriff „Wirtschaftswachstum“ die Veränderung einer Stromgröße – eben des BIP – erfasst.

Das nominale BIP-Wachstum bezieht nun diese Veränderung des nominalen BIP von einem Ausgangsjahr (hier: 2021) zu einem Folgejahr (hier: 2022) auf das nominale BIP des Ausgangsjahres (hier also 2015). Daraus ergibt sich in diesem Fall:

Im Jahr 2021 betrug das nominale BIP in Deutschland 3601,8 Milliarden Euro (das sind rund 3,6 Billionen Euro). Im Jahr 2022 betrug das nominale BIP rund 3867,1 Milliarden Euro. Im Verhältnis zum Vorjahr fiel das BIP also um 265,3 Milliarden Euro größer aus.

Man könnte auch sagen: Das BIP ist im Vergleich zum Vorjahr um 265,3 Milliarden Euro gewachsen. Dabei darf sich aber nicht der gedankliche Fehler einschleichen, das BIP für eine Bestandsgröße zu halten (den Unterschied zwischen Strom- und Bestandsgrößen erklären wir ausführlich in einem anderen Lernabschnitt). Denn anders als z. B. beim Körperwachstum, bei dem man die Veränderung des Bestandes „Körpergröße“ zwischen zwei Zeitpunkten beschreibt, wird mit dem Begriff „Wirtschaftswachstum“ die Veränderung einer Stromgröße – eben des BIP – erfasst.

Das nominale BIP-Wachstum bezieht nun diese Veränderung des nominalen BIP von einem Ausgangsjahr (hier: 2021) zu einem Folgejahr (hier: 2022) auf das nominale BIP des Ausgangsjahres (hier also 2015). Daraus ergibt sich in diesem Fall:

Das nominale BIP ist also gegenüber 2015 um 3,6 Prozent bzw. um den Faktor 1,036 gewachsen. Allerdings ist auch das allgemeine Preisniveau gestiegen (Inflation), und zwar vom Ausgangsniveau 100 im Jahr 2015 auf 101,33 im Jahr 2016, das heißt (gerundet) um den Faktor 1,013 bzw. um 1,3 Prozent. Das reale BIP-Wachstum entspricht ungefähr der Differenz aus dem nominalen BIP-Wachstum und der Inflation:

Auch das reale BIP-Wachstum bezieht die Veränderung des realen BIP von einem Jahr auf das nächste, hier also von 2015 auf 2016, auf das reale BIP des Ausgangsjahres, hier also 2015. Daraus ergibt sich in diesem Fall:

Wachstum des BIP 2021 bis 2022

= \(\frac{\text{Nom. BIP}_{2022}–\text{Nom. BIP}_{2021}}{\text{Nom. BIP}_{2021}}\)

= \(\frac{3867,1–3601,8}{3601,8}\)

= \(\frac{265,3}{3601,8}\)

= \(\frac{265,3}{3601,8}\)

≈ \(0,0737\)

Als Prozentzahl geschrieben (× 100) = 7,37 %

Das nominale BIP ist also um rund 7,37 Prozent bzw. um den Faktor 1,0737 gewachsen, wenn man die Jahre 2021 und 2022 vergleicht. Dies ist übrigens ein außergewöhnlich hoher Wert, der mit dem starken Wirtschaftseinbruch im Zuge der Corona-Pandemie zusammenhängt.

Allerdings ist auch das allgemeine Preisniveau gestiegen (Inflation), und zwar um den Faktor 1,0523 bzw. um 5,23 Prozent (auch dies ein krisenbedingter und außergewöhnlich hoher Wert). Wie genau die Entwicklung des Preisniveaus bestimmt wird, erklären wir in einem anderen Lernabschnitt.

Das reale BIP-Wachstum – also das BIP-Wachstum, das die tatsächliche Veränderung des „Kuchens“, bereinigt um bloße Preiseffekte, beschreibt – entspricht ungefähr der Differenz aus dem nominalen BIP-Wachstum und der Inflation:

Wachstum des nom.BIP Inflation

Reales BIPWachstum

=7,37 % − 5,23 %

= 1,79 %

Das BIP im Jahresverlauf

Diese Betrachtung müssen wir jetzt ein bisschen erweitern. Während wir uns bisher nur die jährliche Höhe des BIP und die jährlichen Wachstumsraten (real und nominal) angeschaut haben, spielen bei der Konjunkturentwicklung oft kürzere Zeiträume eine Rolle. So wird zum Beispiel auf die quartalsweise Entwicklung des BIP geschaut.

Wenn man Quartale betrachtet, weist das BIP allerdings saisonale Schwankungen auf, die z. B. von der Bauwirtschaft, der Landwirtschaft, der Tourismusbranche oder dem Weihnachtsgeschäft herrühren können. Solche Schwankungen (ebenso wie die von Jahr zu Jahr unterschiedliche Verteilung von Feiertagen, was ebenfalls Auswirkungen auf das BIP haben kann) versuchen Statistikerinnen herauszurechnen. Dieses Verfahren nennt man Saison- und Kalenderbereinigung.

Auch hier kann man dann wiederum die Preisentwicklung herausrechnen, so dass man das reale BIP pro Quartal erhält. Grafisch erkennt man gut, welche Effekte die Saison-, Kalender-, und Preisbereinigung hat (siehe unten). Auch bei der quartalsweisen Betrachtung des BIP kann man Wachstumsraten bestimmen. So kann man beispielsweise das Wachstum von einem Quartal zum nächsten berechnen. Oft wird aber auch die Veränderung zwischen einem Quartal und demselben Quartal im Vorjahr berechnet.

Quartalswerte zum Bruttoinlandsprodukt (nominal, saisonbereinigt, real), 2021–2022

Nominal, nicht saisonbereinigt (in Mrd. Euro) Nominal, saison- und kalenderbereinigt (in Mrd. Euro) preisbereinigt, saison- und kalenderbereinigt (in Mrd. Euro) Wachstum des nominalen, nicht bereinigten BIP im Vergleich zum Vorquartal (in Prozent) Wachstum des nominalen, nicht bereinigten BIP im Vergleich zum Vorjahresquartal (in Prozent)
2021, 1. Quartal 864,58 872,45 786,33 -2,8 0,00
2021, 2. Quartal 882,21 892,52 803,89 2,0 0,12
2021, 3. Quartal 922,94 916,02 809,26 4,6 0,07
2021, 4. Quartal 947,72 927,30 809,33 2,7 0,07
2022, 1. Quartal 943,34 948,89 817,45 -0,5 0,09
2022, 2. Quartal 950,28 960,36 816,39 0,7 0,08
2022, 3. Quartal 976,58 969,98 819,34 2,8 0,06
2022, 4. Quartal 1006,61 990,95 816,01 3,1 0,06

Das BIP in Deutschland, 2010–2022. Quelle der Daten: AMECO-Datenbank der EU-Kommission, eigene Berechnung.

Quartalswerte zum Bruttoinlandsprodukt (nominal, saisonbereinigt, real), 2020–2022

Quartalswerte zum Bruttoinlandsprodukt (nominal, saisonbereinigt, real), 2018–2022 von Julian Becker, CC BY 4.0 International. Quelle der Daten: Genesis-Datenbank des Statistischen Bundesamtes.

Das BIP der Eurozone

Natürlich kann man das BIP auch jenseits eines Nationalstaates betrachten und zum Beispiel schauen, wie sich das BIP der ganzen Eurozone entwickelt hat. Je stärker man allerdings Werte aggregiert (= zusammenrechnet), um so vorsichtiger muss man auch mit Aussagen sein, die aufgrund dieser Aggregate getroffen werden.

Das BIP der Eurozone, 2010–2022

Jahre BIP nominal (Mrd. €) BIP real (Preise von 2015, Mrd. €)
2010 9581,5 10181,1
2011 9843,2 10341,1
2012 9882 10244
2013 9980,6 10216,2
2014 10213,5 10356,9
2015 10568,4 10568,4
2016 10864,6 10768
2017 11274,1 11050,7
2018 11652 11250
2019 12042 11430,5
2020 11507,4 10710
2021 12377,9 11294,3
2022 13400,5 11690,3

Das BIP der Eurozone, 2010–2022. Quelle der Daten: AMECO-Datenbank der EU-Kommission, eigene Berechnung.

H5P-Element „BIP-Wachstum in der Eurozone“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Der Text „Wie bestimme ich nochmal eine Wachstumsrate?“ von Julian Becker, Till van Treeck ist lizenziert unter CC BY 4.0.

Die Abbildung „Quartalswerte zum Bruttoinlandsprodukt (nominal, saisonbereinigt, real), 2020–2022“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Quelle der Daten: Genesis-Datenbank des Statistischen Bundesamtes.

H5P-Element „BIP-Wachstum in der Eurozone“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Fill the blanks“ steht unter einer MIT-Lizenz.