Vor mehr als fünfzehn Jahren begann eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie hielt die Welt einige Zeit in Atem und hatte erhebliche wirtschaftliche, politische und soziale Folgen. Doch was war eigentlich passiert? In diesem Lernabschnitt geht es zunächst einmal darum, einen groben Überblick über die Entwicklung der Krise zu erlangen. Später steht dann die Frage nach den tieferliegenden Ursachen im Vordergrund – und welche Antworten unterschiedliche Perspektiven der Wirtschaftsforschung hierauf geben.

Die Subprime-Krise

Die sogenannte „Subprime-Krise“ wird als zentraler Auslöser der Finanz- und Bankenkrise verstanden. Doch was hat es damit eigentlich auf sich? In den frühen 2000er-Jahren kam es in den USA dazu, dass viele Haushalte Kredite aufnahmen, um sich ein eigenes Haus zu kaufen. In solchen Fällen stellt die Immobilie, die gekauft wird, für die Bank, die den Kredit gewährt, eine Sicherheit dar: Wird der gewährte Kredit nicht vereinbarungsgemäß zurückgezahlt, fällt das Haus der Bank zu, die es dann verkaufen kann. Der Preis, den die Immobilie bei einem solchen Verkauf erzielen würde, ist wichtig für die Höhe und Konditionen der Kreditgewährung.

In den USA kam der Umstand hinzu, dass die Preise für Immobilien seit Mitte der 1990er Jahre kontinuierlich und im historischen Vergleich außergewöhnlich stark anstiegen. Deshalb war es für Banken attraktiv, Kredite zur Finanzierung des Immobilienerwerbs zu vergeben. Selbst Haushalte, die normalerweise Darlehen nur zu sehr schlechten Konditionen oder gar nicht erhalten hätten, weil sie nur ein geringes Einkommen, unsichere Jobs oder kein eigenes Vermögen besaßen, konnten so von den Banken die nötigen Mittel zum Hauskauf erhalten. Diese Darlehen wurden als „Subprime“-Darlehen (zweitklassige Darlehen) bezeichnet.

Index der realen Hauspreise in den USA (Jan. 1953 = 100)

Index der realen Hauspreise (Jan. 1953 = 100) in den USA von Julian Becker, CC BY 4.0. Quelle der Daten: Robert J. Shiller, Irrational Exuberance, 3rd. Edition, Princeton University Press, 2015, eigene Berechnung.

Die Banken (bzw. die Vermittler von Hypothekendarlehen) gaben also Kredite an Haushalte, die nicht unbedingt kreditwürdig waren. Sie lockten die Kreditnehmerinnen dabei mit günstigen Einstiegsangeboten, bei denen das Zinsniveau zunächst niedrig war, aber später ansteigen konnte. Die Vergabe von Hypothekenkrediten nahm so enorm zu. Und solange die Immobilienpreise stiegen, brauchten sich die Banken kaum Sorgen über ausfallende Kredite zu machen. Sie hatten ja die Immobilie als Sicherheit, deren Wert – so glaubte man – auch in Zukunft weiter steigen würde. Und auch die Kreditnehmerinnen waren zufrieden: Schließlich würde der Wert des Hauses, das auf Kredit gekauft wurde, in den nächsten Jahren deutlich höher sein.

Die Geschäfte liefen also gut. Und solange die Nachfrage nach Immobilien hoch blieb, weil viele Haushalte Kredite aufnahmen, erschien auch der weitere Anstieg der Immobilienpreise gesichert. Außerdem konnten die Banken die Kredite auch „verbriefen“ und an Dritte weitergebeben, was das Kreditgeschäft weiter ankurbelte und ihnen mögliche Risiken abnahm (s. u.).

Die Entwicklung der steigenden Immobilienpreise begünstigte außerdem, dass Haushalte Kredite zu Konsumzwecken aufnahmen, bei denen das auf Kredit gekaufte Haus ebenfalls als Sicherheit diente. Die Verschuldung der privaten Haushalte in den USA stieg immer weiter an, während der private Konsum (das „C“ in der nachfrageseitigen Betrachtung des BIP) stark kreditfinanziert war. Viele Haushalte konnten sich größere Anschaffungen wie z. B. ein neues Auto oder ein Studium für ihre Kinder nur leisten, indem sie mehr Schulden anhäuften.

Verschuldung von privaten Haushalten und Nonprofit-Organisationen in den USA in Prozent des verfügbaren Einkommens, 1952–2023

Verschuldung von privaten Haushalten und Nonprofit-Organisationen in den USA in Prozent des verfügbaren Einkommens, 1952–2023 von Julian Becker, CC BY 4.0. Quelle der Daten: Federal Reserve.

Eine Zeit lang funktionierte dieses Zusammenspiel aus steigenden Immobilienpreisen und vergebenen Krediten: Es kam zu einem sich selbst verstärkenden Kreislauf. Die Immobilienpreise blähten sich auf, aber letztendlich steckte die spekulative Erwartung weiterhin steigender Preise dahinter. Und wie bei jeder Blase, die sich immer weiter aufpumpt, kam es schließlich dazu, dass sie platzte. Der Kreislauf verkehrte sich daraufhin in sein Gegenteil.

Ein Auslöser dafür war, dass die amerikanische Zentralbank ab dem Jahr 2004 ihren Leitzins erhöhte, was zur Folge hatte, dass auch viele Kreditnehmer jetzt höhere Zinsen bezahlen mussten. Die Höhe der Zinsen, die in ihren Kreditverträgen vereinbart war, war an die Höhe der allgemeinen Zinsentwicklung gekoppelt. Viele Kreditnehmerinnen, die keine ausreichend hohen Einkommen hatten, gerieten so in Zahlungsrückstand oder konnten ihre Kredite gar nicht mehr zurückzahlen. Sie mussten ihre Häuser verlassen, die daraufhin zwangsversteigert wurden. Aus dem Traum des eigenen Hauses wurde so teilweise der Albtraum des Lebens in einer provisorischen Zeltstadt.

Diese ausfallenden Kredite waren nun auch für die Kreditgeberinnen problematisch: So gingen die Immobilienpreise drastisch zurück. Die Immobilien, die eigentlich als Sicherheiten bei ausfallenden Krediten dienen sollten, verloren an Wert, was die Kreditgeberinnen in weiter Bedrängnis brachte: Die Banken- und Finanzkrise entstand. Sie blieb allerdings nicht auf die USA beschränkt, sondern verbreitete sich auch in anderen Teilen der Welt.

H5P-Element „Der Immobilienmarkt im Auf- und Abschwung“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Die Banken- und Finanzkrise

Oben wurde geschildert, wie das Prinzip eines Hypothekendarlehens funktioniert. Allerdings wurde eine Geschäftspraxis bisher nicht berücksichtigt, die sich in den Jahren vor der Krise verbreitete: Die Banken, welche die Hypothekendarlehen vergaben, konnten aus den durch Immobilien abgesicherten Krediten handelbare Wertpapiere machen, die sie an andere Akteurinnen auf den Finanzmärkten weiterverkauften. Diese Praxis nennt man Verbriefung.

Vereinfacht kann man sich dies wie folgt vorstellen: Haushalte nahmen bei einer Bank Kredite auf, um sich Häuser zu kaufen oder sie belasteten ihr Haus durch eine Hypothek, um so die Gebühren für die Universitätsausbildung ihrer Kinder zu bezahlen oder eine größere Anschaffung zu tätigen. Die Bank erwarb damit einen Anspruch auf die Rückzahlung der Kredite zuzüglich Zinsen. Sollte der betreffende Haushalt diesen Kredit nicht zurückzahlen können, blieb als Sicherheit die Immobilie.

Die Banken gaben nun über den Umweg von sog. Zweckgesellschaften Wertpapiere aus, die durch die Ansprüche gegenüber den Kreditnehmerinnen mehrerer Hypothekendarlehen abgesichert waren. Diese Wertpapiere konnten dann von anderen Investorinnen gekauft werden. Letztendlich wurden damit die Tilgungs- und Zinszahlungen der Kreditnehmerinnen an die Käuferinnen der Wertpapiere weitergeleitet. Und weil als Sicherheiten die Immobilien vorhanden waren, wurden sie als durch Vermögenswerte (Assets) oder Hypotheken (Mortgages) abgesicherte (Backed) Wertpapiere (Securities) bezeichnet, kurz: ABS oder MBS. So wurden handelbare Wertpapiere geschaffen. Investorinnen aus der ganzen Welt kauften solche Papiere ein.

Diese Praxis hatte für die ursprünglichen Kreditgeberinnen mehrere Vorteile: Zum einen konnten sie so Hypothekendarlehen in einem größeren Umfang vergeben, als dies ihnen ansonsten möglich gewesen wäre. Zum anderen verdienten die Banken durch den Verkauf der Wertpapiere an andere Investoren. Außerdem konnten sie sich durch den Verkauf der ABS/MBS von den Risiken trennen, die mit den Hypothekendarlehen verbunden waren. Das Ausfallrisiko der Hypothekendarlehen trugen nun auch die Käuferinnen der Wertpapiere.

Problematisch hieran war außerdem: Weil die Banken davon ausgehen konnten, dass sie diese Wertpapiere leicht weiterverkaufen ließen, brauchten sie nicht so genau hinschauen, wem sie ein Hypothekendarlehen gewährten. Und die Käuferinnen der Wertpapiere hatten kaum einen genauen Überblick darüber, welche Risiken sie tatsächlich eingingen, wenn sie ein solches Wertpapier kauften.

Diese Unsicherheit wurde dadurch verschärft, dass oft mehrmals Bündelungen vorgenommen wurde. Zudem wurden die Wertpapiere „strukturiert“, d. h. in verschiedene Risikoklassen aufgeteilt. Je nach Risikoklasse würden die Verluste unterschiedlich hoch ausfallen, wenn es zu Zahlungsschwierigkeiten der Kreditnehmerinnen kommen sollte. Dies ließ die Papiere der besten Risikoklasse – obwohl sie weiterhin hoch riskant waren – als eine sichere Anlage erscheinen, weil das Ausfallrisiko zunächst von Besitzerinnen von Papieren mit schlechteren Risikoklassen getragen wurde. Diese Art von Wertpapieren nannte man Collateralized Debt Obligations (CDOs). Bei den CDOs war nicht mehr klar war, wie hoch eigentlich die Risiken waren, die man mit ihrem Kauf einging. Aber weil sie hohe Profite versprachen, waren sie für Anlegerinnen in der ganzen Welt äußerst attraktiv.

Noch dazu funktionierte ein Sicherungsmechanismus nicht richtig, der eigentlich im Finanzsystem eingebaut ist: Sogenannte Rating-Agenturen sind dafür zuständig, die Risiken einzuschätzen, die mit Wertpapieren verbunden sind. Sie vergeben Noten, die der Käuferin eines Papiers signalisieren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie ihr Geld nicht zurückerhält. Vor der Krise waren viele ABS/CDOs zu gut bewertet. Die Investorinnen wussten also nicht, dass sie sehr große Risiken eingingen. Die zu positive Bewertungen hatten verschiedene Ursachen. So waren einerseits die Modelle problematisch, mit denen die Agenturen arbeiteten, um die Risiken eines Wertpapiers zu bestimmen. Zudem arbeiteten die Ratingagenturen eng mit den Banken zusammen, die die Wertpapiere herausgaben – und hatten so kaum ein Interesse daran, den Papieren eine schlechte Bewertung zu geben.

H5P-Element „Infografik zur Finanzkrise“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Als nun in den USA viele Kreditnehmerinnen ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen konnten und es zu einem massenhaften Ausfall der Hypothekendarlehen kam, daraufhin die Preise für Immobilien einbrachen, waren davon weltweit alle betroffen, die Wertpapiere besaßen, die aus verbrieften Hypothekendarlehen bestanden. Jeder fragte sich in dieser Situation, ob auch er von den Verlusten bedroht war. Unsicherheit machte sich breit. Und an einen Weiterverkauf solcher Papiere war nicht mehr zu denken. Auch die Ratingagenturen setzten nun die Noten dieser Papiere herab. Viele Banken mussten daraufhin hohe Verluste in ihren Bilanzen verbuchen, die sie oft nicht mit einer ausreichenden Menge an Eigenkapital auffangen konnten.

Ähnlich schlimm wie diese Verluste wog zudem der Vertrauensverlust, der nun innerhalb des Finanzsystems entstand. Normalerweise können Banken, die vorübergehend in Probleme geraten, auf Unterstützung durch andere Banken setzen. Am sogenannten Interbankenmarkt versorgen sie sich gegenseitig günstig und kurzfristig mit Geld. Allerdings setzt dies voraus, dass die anderen Banken darauf vertrauen können, dass die in Schwierigkeiten geratene Bank bald wieder besser dasteht. Und die anderen Banken müssen selber in einer ausreichend guten Lage sein, um einen Kredit zu günstigen Konditionen zu gewähren. Beides war aber nicht mehr gegeben, als sich die Banken- und Finanzkrise anbahnte. Zum einen waren viele Banken von denselben Problemen betroffen, und zum anderen waren sie sehr misstrauisch, wie groß die Risiken waren, die in den Bilanzen der anderen Geldhäuser schlummerten. An eine gegenseitige Hilfe war nicht zu denken. Die Zinsen, die Banken voneinander auf dem Interbankenmarkt forderten, stiegen drastisch an, der Interbankenmarkt kam im August 2007 quasi zum Erliegen. Die Finanz- und Bankenkrise war endgültig ausgebrochen. Sie sollte bald auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Dies war der Beginn der nächsten Phase.

H5P-Element „Die Chronologie der Finanzkrise, 2006 bis 2009“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Die globale Wirtschaftskrise

Im Jahr 2009 geriet schließlich die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession. Das Welt-Bruttoinlandsprodukt schrumpfte erstmals seit dem 2. Weltkrieg. Weltweit gerieten Unternehmen und Arbeitsmärkte unter Druck. Aber wie konnte aus einer Krise am US-Immobilienmarkt letztendlich eine globale Wirtschaftskrise entstehen? Um dies zu verstehen, muss man sich verschiedene Übertragungskanäle anschauen, durch die aus der Finanzkrise eine Krise der Realwirtschaft wurde.

„Credit Crunch“

Banken, die von einer Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen werden, sind fortan eher vorsichtig, was das Eingehen zusätzlicher Risiken angeht. Sie müssen ihre Bilanzen in Ordnung bringen. Ihre Bereitschaft, die Unternehmen mit Krediten zu versorgen, geht so zurück. Dies verschlechtert die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, die z. B. in neue Maschinen investieren wollen: Ein Rückgang der Investitionen ist die Folge, was sich wiederum negativ auf den Konsum und das gesamtwirtschaftliche Einkommen auswirkt. Neue Arbeitsplätze, die ansonsten entstanden wären, entstehen so möglicherweise nicht. Unternehmen, die einen Kredit gebraucht hätten, um einen vorübergehenden Finanzierungsengpass zu überbrücken, gehen vielleicht Pleite – wodurch wiederum Arbeitsplätze verloren gehen.

Unsicherheit

Wie in Kapitel 2 gesehen, ist die Bereitschaft zu investieren auf Seiten der Unternehmen, aber auch die Konsumbereitschaft der Haushalte grundsätzlich davon abhängig, wie sie die allgemeine Wirtschaftslage und die zukünftige Entwicklung einschätzen. In Zeiten hoher Unsicherheit werden sie sich mit Investitionen und Konsumausgaben daher eher zurückhalten. Eine negative Spirale kann entstehen, die durch „Angstsparen“ ausgelöst wird.

Vermögensverlust

Haushalte, die eine Vermögensverlust erlitten haben (z. B., weil sie in riskante Wertpapiere investiert haben, die sie nun abschreiben müssen) halten sich mit Konsumausgaben eher zurück, um ihr Vermögen zu stabilisieren. Diese Zurückhaltung bei den Konsumausgaben wirkt sich wiederum negativ auf die Einkommen aus – erst Recht, wenn sehr viele Haushalte gleichzeitig versuchen, ihre Konsumausgaben zu reduzieren.

Globale Dimension der Finanzkrise

Tritt eine lokal begrenzte Krise auf, kann der Einbruch des inländischen Konsums und der inländischen Investitionen durch zusätzliche Exporte ausgeglichen werden. Die starke internationale Verflechtung des Finanzsystems führte aber dazu, dass viele Länder gleichzeitig betroffen waren. Gerade für Länder, deren Wirtschaft stark exportabhängig war, stellte die Finanzkrise also eine Gefahr dar.

Der Text „Die Finanz- und Wirtschaftskrise: Was ist eigentlich passiert?“ von Julian Becker, Till van Treeck ist lizenziert unter CC BY 4.0.

Die Abbildung „Index der realen Hauspreise in den USA (Jan. 1953 = 100)“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Quelle der Daten: Robert J. Shiller, Irrational Exuberance, 3rd. Edition, Princeton University Press, 2015, eigene Berechnung.

Die Abbildung „Verschuldung von privaten Haushalten und Nonprofit-Organisationen in den USA in Prozent des verfügbaren Einkommens, 1952–2023“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Quelle der Daten: Federal Reserve.

H5P-Element: „Infografik zur Finanzkrise“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Course Presentation“ steht unter einer MIT-Lizenz.

H5P-Element: „Die Chronologie der Finanzkrise, 2006 bis 2009“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ und bei den jeweiligen Abbildungen im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Timeline“ steht unter einer MIT-Lizenz.