Bearbeiteter Ausschnitt des Originals, gemeinfrei, via flickr.com.

In der Volkswirtschaftslehre gibt es eine Reihe von Denkschulen und Perspektiven, welche die wirtschaftliche Realität wissenschaftlich untersuchen wollen und Vorschläge zur Wirtschaftspolitik machen. Der Textauszug von der E-Learning-Plattform „Exploring Economics“ stellt die Perspektive der Marxistischen Politischen Ökonomie vor.

#Marxistische Politische Ökonomie #Exploring Economics

Exploring Economics ist eine frei zugängliche e-Learning-Plattform für Wirtschaftswissenschaften. Hier kannst Du die Pluralität der Wirtschaftstheorien, Methoden und Themen entdecken und studieren.

„Marxistische Politische Ökonomie (MPÖ) umfasst Perspektiven der Politischen Ökonomie, die im weiteren Sinne in der Tradition der Werke von Karl Marx stehen […].

Im Allgemeinen strebt MPÖ eine integrative Analyse von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik an. Diese drei Elemente werden […] als miteinander verbundene Strukturen angesehen, die sich historisch herausgebildet haben. Um die Dynamiken innerhalb dieser Bereiche zu verstehen, ist die Analyse von Klassenkämpfen zentral. Letztere sind durch die Ausbeutung von Arbeit durch das Kapital innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise gekennzeichnet.

Aus dieser Perspektive verkörpern Kapital und Arbeit zwei antagonistische Klassen. Erstere ist vor allem durch das Eigentum an den Produktionsmitteln gekennzeichnet, letztere besteht aus in doppelter Hinsicht freien Lohnarbeiter*innen: sie sind befreit von der Kontrolle der Produktionsmittel sowie frei darin, im Vergleich zum Feudalsystem, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. In diesem Verhältnis spielt Kapital eine zentrale Rolle, welches auf eine hohe Rentabilität von Investitionen ausgerichtet ist. […]

Eine integrative Analyse […] bedeutet, sich nicht nur auf die Funktionsweise der Wirtschaft zu fokussieren, sondern darüber hinauszugehen. Arbeiter*innen werden nicht nur ausgebeutet, sondern werden in der kapitalistischen Produktionsweise entfremdet: Lohnarbeiter*innen können nicht über ihre eigene Arbeit bestimmen. Sie sind Angestellte im kapitalistischen Produktionsprozess und üben spezialisierte Tätigkeiten in der Warenproduktion aus, ohne über die Produkte zu verfügen. Zudem ist die kapitalistische Produktionsweise nicht eine isolierte Sphäre in der Gesellschaft, sondern strukturiert die Gesellschaft in mehrerlei Hinsicht. Durch Kommodifizierung [= die Verwandlung von Dingen in Waren, die dies zuvor nicht gewesen sind] werden beispielsweise soziale Beziehungen, die zuvor nicht der Marktlogik unterworfen waren, zu kommerziellen Beziehungen und sind geprägt von Tausch, Kauf und Verkauf.

H5P-Element „Marxistische Ökonomik“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

MPÖ verfolgt das […] Ziel, die aktuelle Form gesellschaftlicher und ökonomischer Organisation zu verändern, mit dem auf Befreiung gerichteten Anspruch, eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen und den Kapitalismus zu überwinden. Obwohl die Theorieschule an wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten eher eine Randstellung innehat, hat sie im vergangenen Jahrzehnt erneut an Aufmerksamkeit gewonnen. Das Interesse lässt sich darauf zurückführen, dass Marx Analysen und Erklärungen auf die globale Finanzkrise 2007/2008 angewandt werden können. Dies trifft auch auf andere Krisen zu, die mit der Ökonomie verknüpft sind, beispielsweise die Klimakrise. […]

Marx baute seine Analyse der kapitalistischen Produktionsweise um die Ware als zentrales Element der Ökonomie auf. Waren sind Produkte oder Dienstleistungen, die auf dem Markt verkauft werden und von menschlicher Arbeitskraft hergestellt werden. Das charakteristische Merkmal der Waren ist ihr doppelter Charakter – als Gebrauchswert und als Tauschwert. In der kapitalistischen Produktionsweise […] steht der Tauschwert an erster Stelle […]. Somit orientiert sich die Produktion in kapitalistischen Gesellschaften nicht primär an den Bedürfnissen der Bevölkerung (den Gebrauchswerten), sondern an der Generierung eines hohen Tauschwertes, einfach gesagt, Profit. Laut MPÖ basiert dieser Profit auf der Ausbeutung der Arbeitskraft, d. h. der Lohnarbeiter*innen. Kapitalist*innen zahlen den Arbeiter*innen den Lohn, den sie benötigen, um ihre Arbeitskraft wiederherzustellen, auch wenn sie durch ihre Arbeit einen höheren Wert erzeugen. Diesen Mehrwert eignen sich die Kapitalist*innen an und reinvestieren ihn. Die Anhäufung von Geld im Sinne von Kapital durch die kapitalistische Klasse wird als Kapitalakkumulation bezeichnet. Letztere ist eine zentrale Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise und zwingt kapitalistische Volkswirtschaften zu Wachstum. Zugleich, wie bereits erwähnt wurde, ist die kapitalistische Produktionsweise nicht frei von Widersprüchen. Aus Perspektive der MPÖ spielen Krisen als wiederkehrendes Phänomen eine bedeutende Rolle in der kapitalistischen Entwicklung.

Im Grunde werden Krisen durch verschiedene Widersprüche hervorgerufen, die zur Struktur der kapitalistischen Produktionsweise gehören. […] Aktuell betonen viele Wissenschaftler*innen der MPÖ, dass die Tendenz zur Überakkumulation des Kapitals seit den 1970er Jahren zentral dafür ist, die verschiedenen Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahrzehnte weltweit zu erfassen. In dem Prozess der Überakkumulation sucht zu viel Geldkapital profitable Investitionsmöglichkeiten. Da Finanzanlagen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend profitabler geworden sind, wird unverhältnismäßig viel Geldkapital von der industriellen Produktion abgezogen und als fiktives Kapital verwendet. Dieses Geldkapital wird als fiktiv bezeichnet, da es keine materielle Entsprechung in Waren oder der Produktion hat. Obwohl es keinen Mehrwert im Arbeitsprozess generiert, kann sich fiktives Kapital durch die Erwartung, diesen zukünftig zu erzeugen, selbst reproduzieren […]. Während diese Investitionen profitabel für Geldeigentümer sind, leidet die Wirtschaft unter zunehmender wirtschaftlicher Ungleichheit, fehlender effektiver Nachfrage (welche vorübergehend durch die Ausweitung von kreditbasiertem Konsum erhalten wird), und wiederkehrender Inflation von Vermögenswerten, die zu ‚platzenden Blasen‘ führen. Ein prominentes Beispiel für diesen Prozess ist die globale Finanzkrise 2007/2008, die von ausuferndem Derivatehandel (fiktivem Kapital) auf dem Subprime-Hypothekenmarkt ausgelöst wurde. […]

H5P-Element „Marxistische Politische Ökonomie: Ausschnitte aus https://www.exploring-economics.org/de/orientieren/#compare“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Viele Wissenschaftler*innen der MPÖ argumentieren, dass diese Krise eine große oder strukturelle Krise des Kapitalismus darstellt, die möglicherweise die Struktur der Weltwirtschaft für die kommenden Jahrzehnte verändert. In diesem Zusammenhang […] wird darauf hingewiesen, dass die Krise nicht auf Finanzen oder die Wirtschaft beschränkt ist, sondern vielmehr als multiple Krise gefasst werden sollte, die auch die Klima- oder Umweltkrise, eine Krise der repräsentativen Demokratie und des globalen Regierens sowie eine Krise der sozialen Reproduktion miteinschließt.“

Gekürzte Version des Textes von: Andreas Dimmelmeier, Andrea Pürckhauer und Anil Shah Marxistische Politische ÖkonomikCC BY 4.0.

Der Text im Lernabschnitt „,Exploring Economics‘: Die Marxistische Politische Ökonomie“ ist ein gekürzter Ausschnitt aus „Marxistische Politische Ökonomie“ von Andreas Dimmelmeier, Andrea Pürckhauer und Anil Shah und lizenziert unter CC BY 4.0.

H5P-Element: „Marxistische Ökonomik“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Course Presentation“ steht unter einer MIT-Lizenz.

H5P-Element: „Marxistische Politische Ökonomie: Ausschnitte aus https://www.exploring-economics.org/de/orientieren/#compare“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Accordion“ steht unter einer MIT-Lizenz.

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