Viele verschiedene Institutionen – z. B. die Bundesregierung, der Sachverständigenrat, Wirtschaftsforschungsinstitute, Banken, Verbände – erstellen regelmäßig Prognosen zur Konjunkturentwicklung. Diese Prognosen sollen Auskunft darüber geben, wie sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickelt. Dabei spielen Konjunkturindikatoren eine wichtige Rolle. Und wie entsteht eine solche Prognose eigentlich? Welche Indikatoren werden hier herangezogen? Und wie sehen die Prognosen gegenwärtig aus?

Warum ist es wichtig zu wissen, wie sich die Wirtschaft entwickelt?

Woher können wir eigentlich wissen, ob eine wirtschaftliche Schwächephase als normale Konjunkturschwankung nur kurz anhält, oder ob sie Ausdruck längerfristiger, struktureller Probleme ist – möglicherweise gar den Beginn einer schweren Wirtschaftskrise darstellt? Im Nachhinein ist es immer vergleichsweise einfach, strukturelle Brüche und konjunkturelle Schwankungen zu unterscheiden. Aber Politikerinnen, Unternehmen und Konsumentinnen müssen in der Gegenwart Entscheidungen treffen und hierfür Erwartungen über die Zukunft bilden:

  • Unternehmen müssen die künftigen Gewinnerwartungen einschätzen bei der Frage, ob sich beispielsweise die Investition einer neuen, größeren Fabrikhalle lohnen kann.
  • Arbeitnehmerinnen müssen abschätzen, ob ihre Arbeitsplätze auch im nächsten Jahr noch sicher sind, wenn sie größere Ausgaben für einen Urlaub oder ein neues Auto planen.
  • Politikerinnen müssen fragen, wie die Konjunktur im nächsten Jahr laufen wird, wenn sie die staatlichen Einnahmen und Ausgaben für das nächste Jahr planen. Sie müssen erkennen können, ob „bloß“ eine vorübergehende Schwächephase droht – oder eine ernste Wirtschaftskrise vor der Tür steht.

Verschiedene Diagnosen über die Ursachen einer wirtschaftlichen Schwächephase oder über mögliche Gefahren für die Konjunkturentwicklung können zudem sehr unterschiedliche wirtschaftspolitische Rezepte zu ihrer Überwindung nötig erscheinen lassen, von denen einzelne Wählerinnengruppen mehr oder weniger stark betroffen sein können.

Prognosen über die zukünftige Wirtschaftsentwicklung sind also ein wichtiger Teil der Ökonomie in Wissenschaft und Praxis und begegnen uns immer wieder in den Nachrichten. Wirtschaftsforschungsinstitute, politische Institutionen, aber z. B. auch große Banken liefern regelmäßig Vorhersagen ab, in denen sie Auskunft darüber geben, wie sich die Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren wohl entwickeln wird. Sie geben auch immer wieder Anlass zu unterschiedlichen Einschätzungen durch Vertreterinnen konkurrierender ökonomischer Perspektiven.

Aktuelle Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung

Der Audiobeitrag „OECD stellt Zwischenbericht zu weltweiter Wirtschaftsprognose vor“ von © Carolin Dylla, ARD Paris, tagesschau, ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von tagesschau.de eingebettet.

Konjunkturprognosen für das Jahr 2024

Institution Prognose vom Wachstumsprognose für das BIP 2024
Bundesregierung Okt 23 1,3%
EU-Kommission Nov 23 0,8%
Internationaler Währungsfonds Okt 23 0,9%
OECD Nov 23 0,6%
Bundesbank Dez 23 0,4%
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Nov 23 0,7%
Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Sep 24 1,3%
ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München Dez 23 0,9%
Institut für Weltwirtschaft IfW Kiel Dez 23 0,9%
Institut der deutschen Wirtschaft Köln Dez 23 -0,5%
Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut Dez 23 0,5%
Institut für Wirtschaftsforschung Halle IWH Dez 23 0,5%
Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK Sep 23 0,7%
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Dez 23 0,8%

Konjunkturprognosen für das Jahr 2024. Quelle der Daten: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/konjunkturprognose-ts-112.html, 06.02.2024.

Wie entstehen Konjunkturprognosen?

Wie kann man überhaupt die wirtschaftliche Entwicklung vorhersagen? Wie genau sind solche Prognosen eigentlich? Warum geben verschiedene Institute unterschiedliche Prognosen ab?

In einer Reihe von Videos der Tagesschau beantwortet Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank,  Fragen rund um Konjunkturprognosen. Klick auf eine der Fragen unten, um ein Video dazu zu sehen.

Konjunkturindikatoren – was ist das?

Verschiedene ökonomisch relevante Kennziffern können verwendet werden, um den Verlauf der Konjunktur zu betrachten und zu untersuchen. Mithilfe mancher Indikatoren kann man außerdem versuchen, den Verlauf der Konjunktur vorherzusagen und somit Konjunkturprognosen anzufertigen. Dabei werden recht unterschiedliche Messgrößen betrachtet – das Statistische Bundesamt listet auf seiner Homepage zum Beispiel 21 verschiedene Indikatoren auf, es gibt aber noch weitere.

Konjunkturindikatoren werden oft in drei Gruppen einteilen:

  • Vorlaufende Indikatoren können anzeigen, wie die Konjunktur sich in Zukunft entwickeln wird. Sie sind der BIP-Entwicklung sozusagen „immer einen Schritt voraus“ und eignen sich somit gut für Konjunkturprognosen. Dazu gehören z. B.:
    • Auftragseingang in der Industrie
    • Baubewilligungen
    • Aktienkurse / Aktienindizes
    • Erwartungen der Konsumenten und Unternehmen.
  • Gleichlaufende Indikatoren entwickeln sich parallel zum BIP (bzw. sind in diesem bereits enthalten). Dazu gehören z. B.
    • Industrielle Produktion
    • Umsätze
    • Sparquote.
  • Nachlaufende Indikatoren hängen der Entwicklung des BIP eher einen Schritt hinterher. Dazu gehören z. B.
    • Arbeitslosenquote
    • Zahl der Erwerbstätigen
    • Steuereinnahmen
    • Preisentwicklung (Inflation/Deflation).

Ifo-Geschäftsklimaindex: Ein Frühindikator

Ein bekannter Frühindikator ist der Geschäftsklimaindex, der von regelmäßig vom ifo Institut – einem der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland – veröffentlicht wird. Dieser Index soll zeigen, ob die Stimmung in den Unternehmen eher gut oder schlecht ist: Wie wird in den Unternehmen die Lage im Hinblick auf Aufträge, Umsätze usw. eingeschätzt? Herrschen eher optimistische oder pessimistische Einschätzungen vor? Dies kann Rückschlüsse auf die anstehende wirtschaftliche Entwicklung zulassen.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist der wichtigste Indikator dieser Art in Deutschland und gilt als Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Um ihn zu erstellen, werden monatlich 7.000 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Baugewerbes, des Großhandels und des Einzelhandels befragt. Sie sollen einerseits ihre gegenwärtige Geschäftslage beurteilen und andererseits ihre Geschäftserwartungen für das nächste halbe Jahr äußern.  Das Geschäftsklima wird dann mit Hilfe eines bestimmten Mittelwerts aus den beiden Reihen berechnet. Eine Indexreihe wird daraus gebildet, indem der aktuelle Wert in Bezug zum Wert eines bestimmten Basisjahres gesetzt wird. Der Wert in diesem Basisjahr entspricht dann dem Wert „100“.

Die Abbildung unten zeigt die Entwicklung des Geschäftsklimas und seiner beiden Komponenten über einen längeren Zeitraum. Das Jahr 2015 ist hier das Basisjahr.

Der ifo Geschäftsklimaindex und seine Komponenten (2005 bis 2024)

Der ifo Geschäftsklimaindex und seine Komponenten von Julian Becker, CC BY 4.0 International. Quelle der Daten: ifo Institut.

Video „ifo Geschäftsklimaindex gefallen (Januar 2024)“ von © ifo Institut. Das Video ist nicht unter einer offenen Lizenz veröffentlicht und wird hier von Youtube.com eingebettet.

Der Konjunkturverlauf und seine Indikatoren

Die Geogebra-Anwendung unten ermöglicht, die Entwicklung der Konjunktur seit dem Jahr 2005 mit Hilfe verschiedener Indikatoren zu betrachten. Es können fünf Zeitreihen eingeblendet werden (Indexreihen, 2005 = 100) und beliebige Zeiträume genauer betrachtet werden (hier bieten sich natürlich die Phasen der jüngeren Konjunkturgeschichte an). In der Anwendung kann man zum Beispiel erkennen, inwiefern einzelne Indikatoren der BIP-Entwicklung einen Schritt voraus sind, während andere eher hinterherlaufen. Vergleiche dazu beispielsweise die Entwicklung von BIP, ifo-Geschäftsklimaindex, Investitionen und Arbeitslosenquote, insbesondere im Hinblick auf die Hoch- und Tiefpunkte der Zeitreihen.

GeoGebra-Element: „Der Konjunkturverlauf und seine Indikatoren“ von Julian Becker, CC BY-SA 3.0/GeoGebra Terms of Use. Quellen der Daten: Reales BIP (saison- und kalenderbereinigt, Quartalsdaten), private Investitionen (Bruttoanlageinvestitionen des nicht-staatlichen Sektors, konstante Preise, saison- und kalenderbereinigt, Quartalsdaten), Konsum der privaten Haushalte (konstante Preise, saison- und kalenderbereinigt, Quartalsdaten): Statistisches Bundesamt. Arbeitslosenquote (saisonbereinigt): Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf, Nürnberg. ifo-Geschäftsklima: ifo-Institut.

Der Text „Wie wird das Wirtschaftswetter? Konjunkturindikatoren und -prognosen“ von Julian Becker, Till van Treeck ist lizenziert unter CC BY 4.0.

Der Audiobeitrag „OECD stellt Zwischenbericht zu weltweiter Wirtschaftsprognose vor“ von © Carolin Dylla, ARD Paris, tagesschau, ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von tagesschau.de eingebettet. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Iframe embedder“ steht unter einer MIT-Lizenz.

Die Abbildung „Der ifo Geschäftsklimaindex und seine Komponenten (2005 bis 2024)“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: ifo-Institut.

Das Video „ifo Geschäftsklimaindex gefallen (Januar 2024)“ von © ifo Institut ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von youtube.com eingebettet.

GeoGebra-Element „Der Konjunkturverlauf und seine Indikatoren“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY-SA 3.0. Bitte beachten Sie außerdem die GeoGebra Lizenz.