Die Modern Monetary Theory ist eine an den Post-Keynesianismus anknüpfende Perspektive der Volkswirtschaftslehre. Sie interessiert sich besonders dafür, wie unser heutiges Geldsystem funktioniert. Ihre Kernthese: Ein Staat, der sein eigenes Geld herausgibt, hat mehr politische Gestaltungsmöglichkeiten, als üblicherweise angenommen wird. Das kann er nutzen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen oder die sozial-ökologische Transformation zu unterstützen.

#MMT #Exploring Economics

„Die Modern Monetary Theory (MMT) […] ist durch ihre Kernthese, dass ein Staat in seiner eigenen Währung keine Insolvenz fürchten muss, in den vergangenen Jahren zunehmend populär geworden. Da bei staatlichen Ausgaben stets neues Geld entsteht, benötigt eine Regierung als Schöpferin der Währung weder Geld aus Steuern noch aus dem Verkauf staatlicher Schuldverschreibungen (Staatsanleihen). […] Zudem lenkt die MMT den Fokus weg von der Finanzierungsfrage der sozial-ökologischen Transformation und diskutiert stattdessen, ob genügend Kapazitäten [z. B. Arbeitskräfte, Maschinen] für deren Umsetzung zur Verfügung stehen. Dies eröffnet neue politische Denkansätze, die es wert sind, diskutiert zu werden.

Steuern verleihen Wert

Die MMT […] sieht die Fähigkeit, mit Geld Steuern zu zahlen, als die […] Grundlage, die einen Gegenstand zu Geld macht und ihm Wert verleiht. Die Grundsätze der Theorie lassen sich am besten anhand eines vereinfachenden Beispiels erklären. Betrachten wir hierzu die hypothetische Gründung eines neuen Staates, dessen Einwohner:innen ein gemeinsames Interesse daran haben, dass die Regierung für ein funktionierendes Gemeinwesen sorgt. Hierfür werden Güter (Waren und Dienstleistungen) benötigt, um ein Bildungs- und Gesundheitssystem, ein Straßennetz, ein Rechtssystem und so weiter zu gewährleisten. Die Regierung bezahlt Arbeiter:innen, die diese Güter herstellen, mit einer selbst geschaffenen Währung. Damit dieses Geld von allen angenommen wird, erhebt der Staat zudem eine Steuer, die nur in dieser Währung gezahlt werden kann. Da jede:r Steuern zahlen muss, besteht ein reges Interesse daran, das staatliche Geld zu erlangen. Es wird daher auch zwischen den Einwohner:innen gegen Leistungen getauscht, wodurch auch die Personen das staatliche Geld erhalten, die ihre Güter nicht direkt an die Regierung verkaufen. Die staatliche Währung setzt sich im Privatsektor als Zahlungsmittel durch.

Um Ausgaben zu tätigen, teilt die Regierung also ihre eigenen Gutscheine aus, die sie zur Tilgung von Steuerschulden (und Gebühren) akzeptiert. Aus Sicht des Privatsektors (private Haushalte und Unternehmen) handelt es sich um Steuergutschriften, die als Zahlungsmittel verwendet werden und Teil des privaten Geldvermögens sind. Da Steuern nur gezahlt werden können, nachdem die staatlichen Gutscheine in Umlauf gebracht wurden, können staatliche Ausgaben nicht durch Steuern finanziert werden. Die Regierung kann sich vom Privatsektor auch kein Geld leihen, indem sie Schuldverschreibungen (Staatsanleihen) verkauft, solange niemand vorher das staatliche Geld erhalten hat. In unserem Beispielstaat muss die Regierung zunächst Geld ausgeben, damit im Anschluss die Einwohner:innen mit ihren Einnahmen Steuerschulden tilgen oder Staatsanleihen kaufen können.

Steuern dienen folglich nicht der Finanzierung des Staates, sondern dazu, der staatlichen Währung Akzeptanz zu verleihen (…). Dadurch erhält die Regierung die Möglichkeit, alles kaufen zu können, was in der eigenen Währung angeboten wird und kann so für ein funktionierendes Gemeinwesen sorgen. Übersteigen die Ausgaben der Regierung ihre Steuereinnahmen, gelangen mehr Steuergutschriften in den Privatsektor. Die ,Staatsverschuldung‘ entspricht der Summe aller sich im Umlauf befindlichen Steuergutschriften, die vom Privatsektor als Geldvermögen gehalten werden. Historisch lassen sich viele Beispiele finden, die der obigen Darstellung staatlichen Geldes ähneln. So verwendete die britische Regierung im 18. Jahrhundert Kerbhölzer, um Soldaten zu bezahlen. Die Regierungshölzer wurden vom Staat nicht durch Edelmetalle gedeckt, dienten ausschließlich zur Zahlung von Steuern und wurden auch im Privatsektor als Zahlungsmittel genutzt.

Wann ist ein Staat „Herr des eigenen Geldes“?

Das heutige Geldsystem ist offensichtlich sehr viel komplexer. Für einen monetär souveränen Staat sind die Grundprinzipien aber die gleichen. Monetäre Souveränität besteht, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

Die Regierung besitzt erstens das Währungsmonopol, das heißt sie bestimmt, welche Mittel sie zur Tilgung von Steuerschulden (und anderen Zahlungen an den Staat) akzeptiert, und ist die einzige Institution, die diese Mittel herstellen darf. Zweitens garantiert die Regierung keinen festen Umtauschkurs der eigenen Währung in ein Edelmetall oder eine andere Währung. Die Regierung verschuldet sich drittens nicht in Fremdwährung.

Unter diesen Voraussetzungen kann eine Regierung jederzeit zusätzliche Währungseinheiten (Steuergutschriften) erschaffen, ohne befürchten zu müssen, dass sie diese gegen ein Edelmetall oder eine andere Währung tauschen muss, die sie selber nicht herstellen kann. Zudem muss sie sich keine Fremdwährung leihen, um Auslandsschulden zu begleichen.

Der Grad der monetären Souveränität fällt für verschiedene Länder sehr unterschiedlich aus. Die USA besitzen derzeit den höchsten Grad der monetären Souveränität, da ihre Währung sogar international akzeptiert wird. Regierungen, die sich in ausländischer Währung verschulden, weil sie dringend Güter aus dem Ausland beziehen müssen, haben eine geringere monetäre Souveränität. […]

Wer organisiert die Versorgung mit Zahlungsmitteln?

Das Währungsmonopol haben Regierungen heute in der Regel auf ihre Zentralbank übertragen, die als einzige Institution Bargeld herausgeben darf. Geschäftsbanken können zudem Guthaben auf Konten der Zentralbank besitzen, die man als Reserven bezeichnet. Bargeld und Reserven sind die modernen Steuergutschriften, also die ausschließlich von der Zentralbank geschaffene staatliche Währung. Bei der Kreditvergabe schaffen Banken zwar ihr eigenes Geld (Sichtguthaben auf privaten Bankkonten), sind aber verpflichtet, dieses bei Bedarf jederzeit gegen Bargeld zu tauschen. Zudem werden jegliche Zahlungen an die Regierung vom Bankensektor ausschließlich mit Reserven getätigt. Banken dienen als Vermittler zwischen Privatsektor und Regierung, indem sie die Guthaben ihrer Kunden Eins-zu-Eins gegen die staatliche Währung tauschen. Deswegen wird das private Geld der Banken als Zahlungsmittel akzeptiert. Auch im modernen Geldsystem sichert die Auferlegung von Steuern die Akzeptanz der einheimischen Währung, obgleich die Zahlungsmittelversorgung von Privatbanken und nicht von der Regierung organisiert wird.

Staatsausgaben werden auch in der realen Welt durch Schaffung zusätzlicher Währung getätigt. Dies geschieht mithilfe der eigenen Zentralbank, die hierfür die Reserveguthaben der Geschäftsbanken erhöht. Im Gegenzug schreiben die Geschäftsbanken den Zahlungsempfänger:innen der staatlichen Ausgaben die entsprechende Summe auf ihrem Bankkonto gut. Wenn die Regierung am Ende des Monats eine Mitarbeiterin des Bundestages bezahlt, erhält ihre Geschäftsbank zusätzliche Reserveguthaben bei der Bundesbank und die Mitarbeiterin Guthaben auf ihrem Bankkonto. Die Ausgabe erhöht also sowohl die staatliche Geldmenge (Währung in Form von Reserven) wie auch die private (die Sichtguthaben der Mitarbeiterin). Vereinfacht gesagt: Der Staat gibt immer Geld aus, das es vorher nicht gab. […]

Die Restriktionen eines monetär souveränen Staates sind [somit] nicht finanzieller, sondern realer Natur. Solange genügend Arbeitskräfte, Maschinen und Know-how vorhanden sind, um ein Vorhaben umzusetzen, sollte es nicht an der Finanzierbarkeit scheitern.“

Der Text im Lernabschnitt „Modern Monetary Theory“ ist eine gekürzte Fassung von „Modern Monetary Theory. Rückkehr des gesamtwirtschaftlichen Denkens“ von Michael Paetz für bpb.de und lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 3.0 Lizenz. Kürzungen nach freundlicher Genehmigung des Autors und der Bundeszentrale für politische Bildung.