Arbeitslosigkeit ist ein vielschichtiges Problem. Sie hat sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Auswirkungen. Nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und politische Aspekte müssen hierbei betrachtet werden. Die folgenden Materialien gehen auf diese verschiedenen Gesichter des Problems ein.

Problemfeld Arbeitslosigkeit in Deutschland …

Die Forschungsgruppe Wahlen stellt im Rahmen der regelmäßigen Meinungsumfrage „Politbarometer“ die Frage: „Was ist Ihrer Meinung nach gegenwärtig das wichtigste Problem in Deutschland?“. Zwei Nennungen sind pro befragter Person möglich. Die Abbildung unten zeigt die Umfrageergebnisse der Befragungen seit dem Jahr 2000. Die Problemfelder „Corona“ und „Ukraine/Krieg/Russland“ habe wir hier nicht berücksichtigt.

Wichtige Probleme in Deutschland im Vergleich

Wichtige Probleme in Deutschland im Vergleich von Julian Becker, CC BY 4.0 International. Quelle der Daten: Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer, 2000–2023.

… und Europa

Das Eurobarometer ist eine von den Europäischen Institutionen in Auftrag gegebene Meinungsumfrage in den Ländern der EU. Im Rahmen der Umfrage werden die Teilnehmerinnen auch gefragt, welche aus ihrer Sicht die wichtigsten beiden Probleme sind, mit denen ihr Land momentan konfrontiert ist. Die Abbildung zeigt, wie häufig das Problemfeld Arbeitslosigkeit genannt wurde. Auf der vertikalen Achse sind Prozentanteile der Nennungshäufigkeit ablesbar.

Das Problemfeld Arbeitslosigkeit im europäischen Vergleich

Das Problemfeld Arbeitslosigkeit im europäischen Vergleich von Julian Becker, CC BY 4.0 International. Quelle der Daten: Eurobarometer.

Folgen der Arbeitslosigkeit

„Mögliche individuelle Folgen der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit, sind u. a. psychologische und gesundheitliche Probleme, Entqualifizierung (Entwertung der bisher erlangten Qualifizierung), gesellschaftlich-kulturelle und soziale Isolation (Stigmatisierung), familiäre Spannungen und Konflikte, Schuldgefühle, Aggressivität und trotz Grundsicherung relative Verarmung. Zwischen den meisten genannten Folgen besteht dabei ein sehr enger Zusammenhang. Die Folgen von Arbeitslosigkeit beschränken sich nicht auf die Arbeitslosen selbst. Auch für nahe Angehörige kann Arbeitslosigkeit eine gravierende Beeinträchtigung von Wohlstand, Selbstachtung, sozialem Ansehen und Lebenschancen bedeuten. Selbst bei Beschäftigten werden Arbeitsvermögen, Leistung, Solidarität und Krankenstand beeinflusst.

Daneben ist Arbeitslosigkeit auch ein Problem für die gesamte Gesellschaft. Gesamtgesellschaftliche Folgen der Arbeitslosigkeit sind u. a. Verlust von Steuern und Sozialabgaben, hohe Kosten für Arbeitslosengeld I und II, Verlust der Kaufkraft des Einzelnen und damit Reduzierung der Binnennachfrage, Anstieg der Kriminalität, politische Instabilität sowie weitere Kosten zur Behebung bzw. Linderung der individuellen Folgen. […]

Die Arbeitslosen von Marienthal

Das Thema ‚Folgen der Arbeitslosigkeit‘ ist nach wie vor untrennbar mit einer der bekanntesten ‚klassischen“ soziologischen Untersuchungen verknüpft, den ‚Arbeitslosen von Marienthal. ‘ In Folge der Weltwirtschaftskrise 1929/1930 hatten fast alle Bewohner eines Dorfes in der Nähe von Wien durch den Konkurs des einzigen Industriebetriebes ihren Arbeitsplatz verloren. Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern führte vor Ort umfangreiche Erhebungen durch […]. Der Forschungsbericht zählt nach wie vor zu den Klassikern der empirischen Sozialforschung. Er war zugleich die erste moderne empirische Untersuchung der psychosozialen Wirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit. Die zentralen Ergebnisse der Studie lauteten: Arbeitslosigkeit führt zu Mutlosigkeit und Hilflosigkeit und reduziert deshalb eine aktive Herangehensweise an Probleme. Das Nichtstun beherrschte den Tag, insbesondere unter den Männern. Armut war stark verbreitet. Der Gesundheitszustand der Kinder von arbeitslosen Eltern war im Durchschnitt deutlich schlechter, als der Gesundheitszustand der Kinder von Eltern, die noch Arbeit hatten. Der Rhythmus des Lebens wurde bestimmt vom 14-tägigen Auszahlungstermin der Arbeitslosenunterstützung. Die Forscher haben die arbeitslose Gemeinschaft daher als‚ müde Gemeinschaft‘ beschrieben.

Hörtipp

„RADIOWISSEN: Die Arbeitslosen von Marienthal – Eine bahnbrechende Sozialstudie“ Radiobeitrag von Marlen Fercher/BR. Dieser Beitrag wird von der Homepage des BR eingebettet und steht nicht unter einer CC-Lizenz.

Arbeitslosigkeit und Gesundheit

Die häufigsten Untersuchungen zu Folgen der Arbeitslosigkeit befassen sich mit der Thematik ‚Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit‘. Dass Gesundheitsrisiken und Gesundheitsprobleme bei Arbeitslosen vermehrt auftreten, wird dabei durch zahlreiche nationale wie internationale Forschungsarbeiten belegt. Unklar bleibt dabei aber zunächst die Richtung des Zusammenhangs zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Diesbezüglich gibt es zwei grundlegende Thesen: Arbeitslosigkeit führt zu erhöhtem Krankheitsrisiko (Kausalitätshypothese), Krankheit führt zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko (Selektionshypothese). Durch die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit lassen sich die jeweiligen Wirkungsrichtungen nur selten klar voneinander trennen. Es gibt aber viele Hinweise darauf, dass beide Thesen richtig sind: Einerseits dass die Wettbewerbschancen kranker Arbeitnehmer schlechter als die gesunder sind und sich damit das Risiko des Arbeitsplatzverlustes erhöht und andererseits dass anhaltende Arbeitslosigkeit den Gesundheitszustand verschlechtert. […]

Arbeitslosigkeit und Sucht

Auch in den Statistiken der Suchtkranken sind Arbeitslose überproportional häufig vertreten. Rund 40 % der Erwachsenen, die im Jahr 2001 eine Entwöhnungsbehandlung wegen Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder sonstigen Drogen beendet hatten, waren (nach Angaben des Verbands der deutschen Rentenversicherungsträger) vor der Antragstellung arbeitslos gemeldet. Nach den Aufzeichnungen der ambulanten Einrichtungen sind von den männlichen Alkoholklienten rund 27 Prozent arbeitslos gemeldet oder nicht erwerbstätig. Bei den Frauen beträgt dieser Anteil sogar 38 Prozent. Ein Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und einer zunehmenden Quote von Alkoholkonsumenten konnte in der Arbeitslosenforschung bislang aber nicht festgestellt werden. Bei schon vorhandenen Konsummustern von Arbeitslosen wurde aber in einigen Studien eine Intensivierung der Alkoholaufnahme beobachtet. Aus Sicht der Suchtkrankenhilfe gilt Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme bei der (Re-)Integration vormals Alkohol- und Drogenabhängiger.

Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit

Zu den gravierenden Wirkungen für die Betroffenen treten noch makroökonomische Kosten hinzu. So wird häufig betont, dass ein hoher Arbeitslosenstand den sozialen Frieden gefährde (steigende Armut und Kriminalität) und die Widerstände in der Bevölkerung gegenüber dem Strukturwandel (Risikoscheu und Ausländerfeindlichkeit) tendenziell erhöhe. Beides ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Mehrfach hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Schätzungen vorgenommen über die Höhe der Kosten der Arbeitslosigkeit in Deutschland. In gesamtfiskalischer Betrachtung bestehen die Kosten der Arbeitslosigkeit zum einen in den Mehrausgaben der Sozialversicherungsträger und der öffentlichen Haushalte, zum anderen kommt es infolge der Unterbeschäftigung zu Mindereinnahmen. […] Nach einer Faustformel entlasten 100.000 Arbeitslose weniger den Staat um 2 Mrd. Euro.“

Textauszug aus: Frank Oschmiansky für bpd.de: Folgen der Arbeitslosigkeit, CC BY-NC-SA 2.0 DE. Der Text ist unter dieser Lizenz auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung nicht mehr verfügbar. Eine aktualisierte Fassung unter einer veränderten Lizenz ist hier zu finden.

Politische Folgen von Arbeitslosigkeit am Beispiel der Proteste in Spanien

In einige Ländern Europas, insbesondere in Spanien, Griechenland und Portugal, stieg während der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2008 ausbrach, die Arbeitslosigkeit stark an. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit nahm dort enorm zu. Hierüber berichtet der folgende Beitrag aus dem Jahr 2012.

Video „Junge Arbeitslose in Spanien | Made in Germany“, © DW Deutsch. Das Video ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird hier von youtube.com eingebettet.

Die Abbildung „Wichtige Probleme in Deutschland im Vergleich“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer, 2000–2023.

Die Abbildung „Das Problemfeld Arbeitslosigkeit im europäischen Vergleich“ von Julian Becker ist lizenziert unter CC BY 4.0. Quelle der Daten: Eurobarometer.

Der Text „Folgen der Arbeitslosigkeit“ von Frank Oschmiansky für bpd.de ist lizenziert unter CC BY-NC-SA 2.0. Der Text ist unter dieser Lizenz auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung nicht mehr verfügbar. Eine aktualisierte Fassung unter einer veränderten Lizenz ist hier zu finden.

Der Radiobeitrag „RADIOWISSEN: Die Arbeitslosen von Marienthal – Eine bahnbrechende Sozialstudie“ von © Marlen Fercher/BR ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von der Homepage des BR eingebettet.

Das Video „Junge Arbeitslose in Spanien | Made in Germany“ von © DW Deutsch ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von youtube.com eingebettet.