Der Euro hat eine lange Vorgeschichte. Seit den 1960er Jahren versuchen die Länder Europas, die monetäre Integration voranzubringen. Der folgende Lernabschnitt geht auf die wichtigsten Meilensteine dieser Geschichte ein.

#„In the long run …“

„Bereits im Jahr 1959 plante das Europäische Parlament die Einrichtung einer Europäischen Zentralbank. Etliche europäische Protagonisten wie Jean Monnet, deren Ziel die Gründung einer Politischen Union Europas war, befürworteten eine völlige Fixierung der Wechselkurse zwischen den Währungen der damals sechs Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Zu dieser Zeit herrschte Wechselkursstabilität in den EWG-Staaten aufgrund ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft im Bretton-Woods-System. Mit dem währungspolitischen Abkommen von Bretton-Woods von 1944 war ein internationales Währungssystem mit festen Wechselkursen geschaffen worden. Die Gründung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion steht auch im Zusammenhang mit dem sukzessiven Scheitern des Bretton-Woods-Systems Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre.

Grundlagen des Bretton-Woods-Systems

Im Rahmen des Bretton-Woods-Systems fixierten dessen Mitgliedstaaten ihren Wechselkurs gegenüber dem Dollar als Leitwährung. Die Teilnehmer einigten sich zudem auf ein Übereinkommen über den ‚Internationalen Währungsfonds‘ (IWF). So sollte eine neue stabile Weltwährungsordnung geschaffen werden, um turbulente Schwankungen der Wechselkurse zu unterbinden. Ziel war es, damit die Grundlage für eine reibungslose Expansion des Welthandels zu schaffen. Die Errichtung dieses finanzpolitischen Regimes war auch eine Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die am Black Thursday, dem 29. Oktober 1929, ausgelöst worden war.

Im Zentrum der politischen Kooperation stand der US-Dollar als Leitwährung. Primäres Interesse galt der währungspolitischen Koordinierung zwischen den Staaten, um stabile Bedingungen für eine stetige Entwicklung der Weltwirtschaft zu schaffen. Eine wesentliche Bestimmung im System von Bretton Woods galt der gegenseitigen Verpflichtung stabiler Wechselkurse. Vor allem sollte eine Wiederholung rücksichtsloser handels- und währungspolitischer Interventionen verhindert werden, wie Abwertungswettläufe und massive Zollerhöhungen auf Importgüter, die zur Verschärfung der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre beigetragen hatten: Viele Staaten werteten in der Zwischenkriegszeit (1918-1939) ihre Währungen ab, um sich mit diesem Instrument Vorteile auf internationalen Märkten zu sichern – zu Lasten Dritter. Die daraus resultierende Krisenspirale verschärfte die volkswirtschaftliche Lage sämtlicher Industriestaaten. […]

Ende des Bretton-Woods-Systems

Das Bretton-Woods-System konnte in den 60er Jahren jedoch nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten werden. Die amerikanische Regierung erhöhte die Geldmenge der Leitwährung US-Dollar massiv, um das sozialpolitische Great Society Program und den Vietnam-Krieg zu finanzieren. Die Folge waren hohe Staatsschulden, ein deutliches Leistungsbilanzdefizit sowie eine schnell steigende Inflationsrate in den Vereinigten Staaten. In europäischen Staaten stiegen die Lohnkosten stark an und es kam zu nachfragebedingter Inflation. In der Folge kam es zu massiven Abwertungen nationaler Währungen und zu Zahlungsbilanzschwächen.

In diesen Zeiten wurde die D-Mark wegen ihrer an Geldwertstabilität orientierten Währungspolitik von den Märkten entdeckt. Die D-Mark und der Schweizer Franken nahmen eine Art Gegenposition gegenüber dem US-Dollar ein. Es kam zu wachsenden Spekulationswellen, die eine Aufwertung der D-Mark zur Folge hatte und deutsche Güter auf dem internationalen Markt verteuerten. Letztlich kam es zum faktischen Ende des Bretton-Woods-Systems und zur Freigabe der internationalen Wechselkurse.

Hörtipp

Der Radiobeitrag „RADIOWISSEN Bretton Woods – Der Traum von einer stabilen Weltwährung“ von © Christine Bergmann/BR ist nicht unter einer CC-Lizenz veröffentlicht und wird von der Homepage des BR eingebettet.

Erster Entwurf einer Währungsunion: Der Werner-Plan

Als Reflex auf das Scheitern des Bretton-Woods-Systems und der resultierenden währungspolitischen Turbulenzen beschloss der Europäische Rat im Dezember 1969 in Den Haag das Projekt einer Währungsreform. Der Werner-Plan (benannt nach dem damaligen luxemburgischen Premier- und Finanzministers Pierre Werner) sah vor, diese in drei Stufen zu realisieren. An diesem Punkt beginnt die Währungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaft. In einer ersten Stufe sah der Werner-Plan vor, wirtschaftliche Instrumentarien für eine bessere Koordination der Geldpolitik einzurichten. Kursschwankungen sollten so verringert werden.

In der zweiten Stufe sollten Änderungen der festen Umtauschverhältnisse innerhalb des Europäischen Währungsabkommens nur noch mit Zustimmung aller Mitgliedstaaten möglich sein. In der dritten Stufe sollte die Geldpolitik von einer Europäischen Zentralbank (EZB) übernommen werden. Konkrete Folge des Werner-Plans war die Gründung eines Wechselkursverbundes in Form der ‚Europäischen Währungsschlange’. Die Regierungen beschlossen, dass die Wechselkurse ihrer Währungen um nicht mehr als 2,25 Prozent voneinander abweichen dürfen. Andernfalls würde man am Devisenmarkt intervenieren.

Der Werner-Plan ging davon aus, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion bis 1980 zu realisieren.[…]

H5P-Element „Meilensteine der europäischen Integration“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ im H5P-Element.

Monetaristen gegen Ökonomisten

Unter den Mitgliedstaaten existierten Meinungsverschiedenheiten über das Verhältnis von währungspolitischer Integration gegenüber der wirtschaftspolitischen Integration. Zwar war man sich einig, was die gewünschten wirtschaftsfördernden Effekte anging, wirtschaftspolitischer Dissens bestand indes über die konkrete Realisierung der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Monetaristen (Frankreich, Belgien, Luxemburg) gaben währungspolitischen Vorkehrungen (Verringerung von Bandbreiten zum Floating) den Vorrang gegenüber einer wirtschaftspolitischen Integration. Sie vertraten die Ansicht, dass ein Ausbau der währungspolitischen Kooperation als Motor zur Vertiefung der Integration genutzt werden müsse. Nur die monetäre Integration fördere die ökonomische Integration respektive der makroökonomischen Konvergenz. Die Ökonomisten (Deutschland, Niederlande, Italien) setzten auf eine wirtschaftspolitische Konvergenz, die durch institutionellen Systemwettbewerb zu erreichen ist. Die Währungsunion sollte Krönung eines erfolgreichen ökonomischen Integrationsprozesses sein. Das ökonomistische Konzept intendierte einseitige Anpassungsbemühungen von Staaten mit ‚weichen’ Währungen, die sich an der Währungspolitik der Staaten mit den stabilsten Währungen orientieren sollen. Als Kompromiss zwischen beiden Schulen sollte die wirtschaftliche und währungspolitische Integration parallel aufgebaut werden.

Scheitern der ‚Währungsschlange’ und Einführung des Europäischen Währungssystems

Die Umsetzung des Werner-Planes durch Einführung der ‚Europäischen Währungsschlange’ mit ihren Bandbreiten zum Floating scheiterte durch immer wieder auftretende Währungsturbulenzen und ökonomische Schocks, insbesondere die Wirtschaftskrise von 1973, die von einem Preissprung beim Öl ausgelöst wurde. Staaten wie Belgien, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande bemühten sich um währungspolitische Stabilität, während andere Staaten wie Frankreich, Großbritannien oder Italien ihre gestiegenen Kosten für Öl mit einer expansiven Geldpolitik zu kompensieren suchten. Die ‚Schlange’ löste sich auf. Die Entwicklung gab den Ökonomisten Recht, dass eine Wechselkursfixierung erst bei deutlicher Zusammenführung der Ziele nationaler Wirtschaftspolitiken möglich ist. Die in der ersten Stufe vorgesehene verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung fand zudem nicht statt. Der Fehlschlag der Werner-Strategie war damit vorprogrammiert.

Im März 1979 trat das Europäische Währungssystem (EWS) in Kraft. Es gilt als pragmatisches, freiwilliges Abkommen zwischen den einzelnen Zentralbanken der Mitgliedstaaten; man verzichtete somit auf eine Änderung des EG-Vertrages. Kernstück des EWS war der Wechselkursmechanismus. Mit ihm sollte die währungspolitische Zusammenarbeit gestärkt werden, um größere Währungsstabilität herbeizuführen. In der EG sollte eine stabile Währungszone mit innerer Preisniveaustabilität (geringer Inflation) und äußerer Währungsstabilität entstehen (geringe Wechselkursschwankungen).[…]

Im Jahr 1983 wurde die D-Mark dann de facto zur Ankerwährung des EWS. Alle übrigen Länder versuchten ihre nationale Geldversorgung so zu steuern, dass der Wechselkurs zur D-Mark stabil blieb. Mitgliedstaatliche Währungspolitiken gerieten somit unter eine Art Vormundschaft der Deutschen Bundesbank.

Als kleine Volkswirtschaften zeigten sich die europäischen Staaten gegenüber Wechselkursschwankungen sehr anfällig. Während die Wechselkurse der BeNeLux-Staaten, Dänemark und Frankreich weitgehend stabil waren, kam es bei den Währungen von Spanien, Portugal, Italien und Großbritannien zu massiven Kursverlusten. Gleichzeitig blieb die Einlösung der makroökonomischen Erfordernisse offen. In der Konsequenz […] löste sich [das EWS] 1991/92 auf. Es entwickelte sich ein Konsens, dem zufolge Wechselkursstabilisierungen nur bei Anpassung der nationalen Wirtschaftspolitik realisierbar seien. Erforderlich dazu waren: Kontrolle der Inflation, eine angemessene Lohnpolitik zugunsten der Kapitalrendite, Anpassung der Zinspolitik, Senkung der Lohnstückkosten, Abbau öffentlicher Leistungen, ‚Gesundung’ der öffentlichen Finanzen sowie eine ausgeglichene Leistungsbilanz.
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Delors-Bericht und der Vertrag von Maastricht

Bereits 1989 legte der einstige französische Finanzminister und Präsident der Europäischen Kommission, Jacques Delors, ein am Werner-Plan orientiertes Konzept zur Verwirklichung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vor, welches den Inhalt des Maastrichter Vertrages bestimmen sollte. Der Delors-Bericht ging von einer Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen aus: Ziel der ersten Phase war die verstärkte Konvergenz der volkswirtschaftlichen Ergebnisse durch verbesserte Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitiken.

Haushaltsdefizite sollen abgebaut und Kreditfazilitäten verboten werden, so dass Interventionen durch Zentralbanken zugunsten der öffentlichen Hand nicht mehr möglich sind. Dadurch sollten sich die Niveaus der Preisstabilität angleichen. In der zweiten Phase sollte ein föderalistisches System mit einer Europäischen Zentralbank und nationalen Zentralbanken geschaffen werden. Grundlage der dritten Phase war das Prinzip der Parallelität von Fortschritten bei der wirtschaftlichen und monetären Integration. Zur Realisierung dieses Modells zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion waren makroökonomische Konvergenzen unabdingbar.

Zur nachhaltigen Realisierung einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion einigten sich die EG-Staaten auf die Maastrichter Konvergenzkriterien: Das Haushaltsdefizit (Neuverschuldung) darf nur 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, die Staatsschuld darf nicht über 60% des BIP liegen, der Anstieg der Verbraucherpreise darf das Mittel der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten nicht mehr als 1,5 Prozent übersteigen, der langfristige Zinssatz darf den durchschnittlichen Zinssatz der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten maximal um 2 Prozent übersteigen. Bei Verstößen gegen diese Referenzwerte kann ein Defizitverfahren eingeleitet werden, wenn ein ‚übermäßiges Defizit’ vorliegt. Sanktionen können unter anderem als ‚Blauer Brief’ erfolgen oder als Geldstrafe in Höhe von 0,2 bis 0,5 Prozent des nationalen BIP.

Im Jahr 2005 setzte Bundeskanzler Schröder die im Konsens erfolgte Aufweichung der Konvergenzkriterien durch, die überhöhte Budgetdefizite legitimierten. Dazu zählen Finanzierungen für wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung, Bildung oder Entwicklungshilfe, Abgaben an die EU, Kosten von Naturkatastrophen, Reformvorhaben oder auch der deutschen Wiedervereinigung.“

Gekürzte Version des Textes von PD Dr. Klaus Zapka für bpb.de: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Grundlagen und Entwicklung, CC BY-NC-SA 3.0. Der Originalbeitrag ist auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung leider nicht mehr verfügbar.

Der Text in diesem Lernabschnitt ist eine gekürzte Fassung des Textes „Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Grundlagen und Entwicklung“ von PD Dr. Klaus Zapka für bpb.de und lizenziert unter CC BY-NC-SA 3.0. Der Text ist auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung nicht mehr verfügbar.

H5P-Element: „Meilensteine der europäischen Integration“. Quellen- und Lizenzangaben unter „Rights of use“ und bei den jeweiligen Abbildungen im H5P-Element. Der H5P-Inhaltstyp „Timeline“ steht unter einer MIT-Lizenz.

„RADIOWISSEN Bretton Woods – Der Traum von einer stabilen Weltwährung“ Radiobeitrag von © Christine Bergmann/BR. Dieser Beitrag wird von der Homepage des BR eingebettet und steht nicht unter einer CC-Lizenz.