Was wäre, wenn jeder Person im Fall eines Arbeitsplatzverlustes ein Job durch den Staat angeboten würde? Dies ist die Idee von Jobgarantie-Programmen, die auf den Überlegungen der Modern Monetary Theory beruhen. Obwohl hier an post-keynesianische Konzepte angeknüpft wird, gehen Jobgarantie-Konzepte über die traditionelle nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik hinaus. Der Lernabschnitt stellt vor, wie ein Jobgarantie-Programm aussehen könnte und welche wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen es haben könnte.

#MMT

Hinweis: Für das Verständnis des folgenden Textes ist es nötig, sich mit den Grundgedanken der „Modern Monetary Theory“ zu befassen, die in einem eigenen Lernabschnitt behandelt werden. Zudem werden Aspekte behandelt, die erst in Kapitel 3 vertieft werden. Auch hier kann es hilfreiche sein, zuerst in diese Lernabschnitte hineinzuschauen.

„Die Idee der Jobgarantie [JG] kann aus den Einsichten der [Modern Monetary Theory] (MMT) zur Funktionsweise des Geldsystems gefolgert werden. Nach der MMT wird der […] Zweck des Geldsystems als das Ermöglichen einer adäquaten Bewirtschaftung der verfügbaren realen Ressourcen im Sinne des Gemeinwohls verstanden […]. Im Zentrum des Geldsystems steht die staatliche Währung. Das Nutzen der staatlichen Währung, deren Herausgabe dem […] souveränen Staat obliegt, ermöglicht diesem das Mobilisieren der zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben notwendigen Ressourcen, etwa der Arbeitskraft seiner StaatsbürgerInnen. Durch das Auferlegen einer Steuerpflicht schafft der Staat eine Nachfrage nach seiner Währung, denn die steuerpflichtigen Währungsnutzer[Innen] müssen zur Erfüllung der Steuerpflicht an die vom Staat herausgegebene Währung gelangen. Dies gelingt ihnen, indem sie ihre Arbeitskraft, Güter oder Dienstleistungen gegen Bezahlung in staatlicher Währung, die ausschließlich und unbegrenzt vom Staat geschöpft wird, anbieten […] .

Was ist eigentlich die Ursache von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit?

Dieser Logik folgend entsteht unfreiwillige Arbeitslosigkeit – definiert als Personen, die nach Arbeit suchen, für die sie in der staatlichen Währung bezahlt werden –, wenn der/die  WährungsnutzerIn den eigenen Wunsch, die staatliche Währung [anzusammeln], nicht ausreichend erfüll[en kann]. Das gilt, solange es Personen gibt, die in staatlicher Währung bezahlte Arbeit suchen, um an die herausgegebene Währung zu gelangen […]. Mit anderen Worten: Unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist eine wirtschaftspolitische Entscheidung des Staates und folglich der ultimative Beweis dafür, dass die Staatsausgaben nicht hoch genug sind – entweder ist der Staatsüberschuss zu groß oder das Staatsdefizit zu gering […]. Die Ursache liegt also aus [gesamtwirtschaftlicher] Sicht in der Fiskalpolitik des Staates begründet.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, kann der Staat über eine Jobgarantie die Staatsausgaben um genau die Menge erhöhen, die zur Befriedigung des Wunsches des Privatsektors, die staatliche Währung [anzusammeln], sowie zur Erreichung von Vollbeschäftigung nötig ist. Dazu macht der Staat ein universelles Jobangebot an jeden/jede, der/die zu einem sozialverträglichen Lohn […] arbeiten möchte […]. Die Jobgarantie kann dabei auf Ebene der Bundesregierung finanziert und von unteren Regierungsebenen, etwa auf Stadt- oder Gemeindeebene, verwaltet werden. Dadurch würde der individuelle Wunsch nach kontinuierlicher Beschäftigung mit den Bedürfnissen von Städten und Gemeinden in Sachen öffentlicher Daseinsvorsorge kombiniert. Passende Arbeitsbereiche für die Jobgarantie wären gemeinwohlorientierte Beschäftigungen, die auf die Verbesserung des Zustands der Stadt bzw. der Gemeinde ausgerichtet sind, sowie jene, die vom Privatsektor nur unzureichend abgedeckt werden. Konkret könnte die Jobgarantie Projekte aus den Bereichen Bildung, Ausbildung, Pflege, Kunst, Umweltmanagement, Stadtpflege, lokale Lebensmittelproduktion oder Sicherheit beinhalten.[…]

Wie die MMT aufdeckt, ist die Frage nach der Finanzierbarkeit oder den finanziellen Kosten einer wirtschaftspolitischen Maßnahme im Kontext von Staaten mit einem ausreichenden Grad an monetärer Souveränität nicht zielführend. Ein solcher Staat hat keine finanziellen Grenzen und kann sich jedes Projekt finanziell ,leisten‘ – unabhängig davon, wie hoch die monetären ,Kosten‘ sind. Die tatsächlichen Kosten sind die realen Güter und Dienstleistungen, die innerhalb der JG-Verwaltung benötigt und von JG-TeilnehmerInnen durch deren zusätzliche Einkommen konsumiert werden […]. […]

Bei Staaten ohne einen solchen Grad an monetärer Souveränität, wie z. B. den Ländern der Eurozone, wird die Finanzierung zur Frage von politischer Priorität und hat bei der aktuellen institutionellen Ausgestaltung, insbesondere der fiskalpolitischen Regelungen, der Eurozone unter Umständen auch finanzielle Opportunitätskosten. […] Doch auch hier gilt: Die EZB könnte die notwendigen Mittel in beliebiger Höhe auf Knopfdruck erzeugen. Die derzeitige institutionelle Ausgestaltung der Eurozone steht dem allerdings im Wege. Die Hürden sind also politischer, nicht ökonomischer Natur.

Was ist eine Jobgarantie – und was ist sie nicht?

„[Eine Jobgarantie] klingt ja erstmal sehr verlockend, und es spricht auch viel für so einen Vorschlag. Aber wir müssen aufpassen, was genau mit einer Jobgarantie gemeint ist. So was Ähnliches wie eine Jobgarantie hat es schon öfter gegeben, und das war nicht gerade schön. Die Idee, dass ,faule Hände nichts essen‘ sollen, hat schon viel Schaden angerichtet.

In England wurden in früheren Jahrhunderten Arbeitslose und Obdachlose in Arbeitshäuser geschickt. Diese Arbeitshäuser waren wie Gefängnisse organisiert, und sollten die Armen zu unterwürfigen IndustriearbeiterInnen erziehen. Im 20. Jahrhundert haben viele Diktaturen missliebige Bevölkerungsgruppen in Zwangsarbeitslager geschickt.

Aber so weit zurück muss man nicht blicken. Von den USA und Großbritannien bis Deutschland und Frankreich verwenden seit den 1980ern verschiedene PolitikerInnen das Sprichwort von ,Welfare to Workfare‘. Die Idee ist, den Wohlfahrtsstaat (,Welfare‘) durch ,Aktivierung‘ für den Arbeitsmarkt (,Workfare‘) zu ersetzen. Statt Arbeitslosenversicherung und Pensionen und staatlichen Leistungen sollen Druck durch das Arbeitsmarktservice und Zuschüsse zu schlecht bezahlten Jobs dazu führen, dass alle einen bezahlten Job haben. […]

Eine Jobgarantie ist nicht ganz dasselbe wie ,Welfare to Workfare‘. Wir müssen aber genau schauen, was mit einer Jobgarantie gemeint ist. Das ,Kleingedruckte‘ ist entscheidend.

Drei Elemente sind bei einer guten Jobgarantie sehr wichtig.

  1. Eine Jobgarantie muss freiwillig sein. Niemand soll eine Absicherung verlieren, weil sie oder er einen garantierten Job nicht annimmt – sonst macht die Garantie den Leuten das Leben nur schwieriger.
  2. Die garantierten Jobs müssen angemessen bezahlt werden. Wenn die Bezahlung weniger ist als bei anderen ähnlichen Jobs, führt sie sonst nur dazu, dass die Löhne weiter nach unten gedrückt werden.
  3. Die Jobs müssen sinnvoll sein – sowohl für das Selbstbewusstsein der Betroffenen, als auch für die breitere Gesellschaft.

Unter diesen Bedingungen kann eine Jobgarantie sehr sinnvoll sein, und Betroffenen eine wirtschaftliche Absicherung, sinnvolle Betätigung, und sozialen Anschluss ermöglichen. Sie sollte aber nie das sonstige Sicherungsnetz ersetzen. Ein Grundeinkommen ist etwa auch dann sinnvoll, wenn es eine Jobgarantie gibt. Als Absicherung für alle ermöglicht sie es, ,Nein‘ zu sagen.“

Gekürzter und leicht angepasster Textauszug aus: „Was ist eine Jobgarantie?“ von Max Kasy, Moment.at , CC BY 4.0.

Die Jobgarantie als Mittel der Konjunktursteuerung

Die JG wirkt konjunkturell als automatischer […] Stabilisator. Im wirtschaftlichen Abschwung erhöht sich die Zahl an JG-TeilnehmerInnen und auf diese Weise die damit verbundenen Staatsausgaben, während im wirtschaftlichen Aufschwung die Zahl an JG-TeilnehmerInnen und folglich die damit verbundenen Staatsausgaben zurückgehen. Gerade während einer Rezession sind die zusätzlichen Staatsausgaben genau der Stimulus, den es zur Erholung vom wirtschaftlichen Tief benötigt […]. In jener Hinsicht ist die JG mit dem Konzept des Arbeitslosengeldes, welches den Verlust an Einkommen zwecks Stabilisierung der Nachfrage während einer Rezession kompensiert, vergleichbar – mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: Die JG kompensiert im Gegensatz zum Arbeitslosengeld nicht nur den Einkommens-, sondern auch den Beschäftigungsverlust. Dazu ist die Änderung des Konsumverhaltens kleiner, wenn Personen keinen Beschäftigungsverlust erfahren. Das gilt insbesondere für Betroffene aus Ländern, in denen die Arbeitslosengeldzahlungen etwa nur zeitlich befristet sind […] .

[…] Ferner baut die JG auf der Einsicht auf, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfragesteuerung eine zentrale Aufgabe staatlicher Wirtschaftspolitik ist und nicht allein dem Privatsektor überlassen werden kann. Ein vom Privatsektor angeführter Wirtschaftsstimulus führt zum Aufbau von privaten Verschuldungspositionen und damit zu einer fragileren Finanzlage des währungsnutzenden Privatsektors, während die fiskalpolitische Nachfragestimulierung über die JG zum Nettogeldvermögensaufbau im nichtstaatlichen Sektor führt und damit dessen finanztechnische Lage verbessert. Wie die MMT verdeutlicht, agieren Währungsherausgeber und Währungsnutzer unter gänzlich verschiedenen Voraussetzungen. Da Währungsnutzer im Gegensatz zu Währungsherausgebern finanziellen Einschränkungen unterliegen, ist ein fiskalpolitisch induzierter Wirtschaftsaufschwung vor dem Hintergrund finanzieller Nachhaltigkeit dem privat angeführten Anschub der Wirtschaft überlegen […]. Das bedeutet allerdings nicht, dass angebotsseitige Maßnahmen wie etwa Anreize für private Investitionen oder auch eine nachfrageorientierte Lohnpolitik an Bedeutung für die Steuerung der Konjunktur verlieren.

Video „Why We Need a Federal Jobs Guarantee“ von New Economic Thinking. Das Video steht nicht unter einer offenen Lizenz und wird hier von youtube.com eingebettet.

Jobgarantie und Preisstabilität

Im Vorfeld des neoliberalen Zeitalters war Vollbeschäftigung ein explizites wirtschaftspolitisches Ziel, auf das Fiskal- und Geldpolitik entsprechend zugeschnitten wurden […]. Danach ist das Ziel der Preisstabilität zum primären Ziel der Wirtschaftspolitik geworden, dem die Vollbeschäftigung als Ziel untergeordnet wurde. In einer solchen Wirtschaftspolitik […] wird Arbeitslosigkeit genutzt, um Forderungen nach Lohnerhöhungen der abhängig Beschäftigten zu disziplinieren und eine damit verbundene inflationäre Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Nach dem Ansatz werden, sobald die inflationsstabile Arbeitslosenquote erreicht wird, wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen, um einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Vollbeschäftigung und Preisstabilität werden dementsprechend als Widerspruch gesehen. […]

Auch wenn die JG nicht dazu konzipiert ist, alle Ursachen von Inflation bzw. Deflation zu adressieren, hilft die Stabilisierung des Konjunkturzyklus dabei, sowohl inflationäre als auch deflationäre Tendenzen abzumildern. Der fixe Stundenlohn, den alle JG-TeilnehmerInnen erhalten, wirkt dabei als effektiver Preis- und Lohnanker […]. Als alleiniger Herausgeber der Währung hat der Staat dieselbe Preisgestaltungsmacht wie andere Monopolisten. Mit der JG macht der Staat davon Gebrauch und legt den Mindestpreis für eine Stunde Arbeit in Austausch für die herausgebende Währung fest. Alle anderen Preise passen sich gemäß der Marktmechanismen an und werden letztlich durch Angebot, Nachfrage und Marktmacht bestimmt. Jedoch spiegeln diese nun den relativen Wert zum Preis von einer Arbeitsstunde innerhalb der JG wider […]. Im Vergleich zum bisherigen […] Ansatz, der auf einen Pufferbestand an Arbeitslosen baut, macht dieser Ankermechanismus den JG-Ansatz zum überlegenen Mittel zur Erreichung von Preisstabilität. Darüber hinaus wirkt die JG hemmend auf inflationäre Tendenzen, indem ArbeitnehmerInnen der Wechsel in den Privatsektor erleichtert wird. Üblicherweise bevorzugen Unternehmen bei der Einstellung Personen, die vorher nicht arbeitslos waren, da diese während ihrer Anstellung betriebliche Weiterbildung erfahren und Leistungsbereitschaft demonstriert haben, was auch bedeutet, dass Langzeitarbeitslose für Unternehmen in dem Kontext am unattraktivsten sind […]. Da die JG On-The-Job-Training beinhaltet und den TeilnehmerInnen das Demonstrieren von Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Teamfähigkeit etc. abverlangt, erleichtert die JG für Firmen die Mitarbeitersuche und verringert die damit verbundenen Kosten und den Zeitaufwand. Das hat zur Folge, dass Firmen ihre Produktionskapazitäten in Fällen, in denen die Gesamtnachfrage die bestehenden Kapazitäten übersteigt, schneller ausweiten können. Das schnellere Ausweiten der Produktionskapazität ermöglicht den Firmen, auf erhöhte Nachfrage mit einer Ausweitung der Absatzmenge – statt mit Preiserhöhungen – zu reagieren und reduziert somit das Risiko einer nachfrageseitig induzierten Inflation.[…]

Im Vergleich zur typisch keynesianischen Wirtschaftsankurbelung mittels Erhöhung der Staatsausgaben ohne explizite Schaffung von staatlichen Beschäftigungsmöglichkeiten, […] bei de[r] der Staat mit seinen Ausgaben um Güter und Dienstleistungen zu Marktpreisen konkurriert, werden die JG-Ausgaben dorthin gelenkt, wo es im Moment keine Nachfrage des Privatsektors nach den verfügbaren Arbeitskräften gibt, sodass durch Wettbieten ausgelöste Preisanstiege vermieden werden. Darüber hinaus ist die JG dem stumpfen Erhöhen der Staatsausgaben überlegen, da der klassische Weg keinen Anti-Inflations-Mechanismus enthält, keine regionalen Disparitäten adressiert und keine ausdrückliche Orientierung am Gemeinwohl sicherstellt, da ohne JG letztlich die Unternehmen entscheiden, wo und welche Jobs geschaffen werden. […]

Die sozialen Kosten von Arbeitslosigkeit

[…] Mit der JG erlöscht praktisch das Risiko in die Situation unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zu geraten, da die JG jeder und jedem, die/der arbeitswillig ist, einen auf das Gemeinwohl ausgerichteten Job zu sozialverträglichem Lohn inklusive Sozialleistungen anbietet. Dabei gehen die Vorteile der Möglichkeit auf kontinuierliche Beschäftigung weit über die bloße Einkommenssicherheit […] hinaus. Die sozialen Kosten von Arbeitslosigkeit sind größer als die finanziellen […]. […] Die Option der kontinuierlichen Beschäftigung adressiert die mit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit verbundenen sozial[en] Probleme wie Armut, soziale Isolation, Kriminalität, regionale Entwicklungsdisparitäten, Gesundheitsprobleme, Familienprobleme, Schulabbrüche, Verlust von Humankapital […]. Darüber hinaus ermöglicht die JG die Realisierung der Vorteile von kontinuierlicher Beschäftigung: Armutsbekämpfung, Stärkung des Gemeinwesens, soziale Vernetzung, Weiterbildung, persönliche Weiterentwicklung sowie den Aufbau von neuen Fertigkeiten. Insbesondere hilft die JG denjenigen, die im aktuellen System am meisten benachteiligt sind, z. B. Menschen mit Behinderungen, deren Beschäftigung mit zusätzlichem Aufwand und Kosten einhergeht und die daher nur schwer adäquate Jobs im Privatsektor finden […]. Die JG könnte speziell auf die jeweiligen Bedürfnisse ausgerichtete Jobs schaffen und diesen Bevölkerungsgruppen damit Zugang zu einer würde- und bedeutungsvollen Beschäftigung gewähren – mit all den sozial-psychologischen Vorteilen […]. Letztlich ist die JG die Umsetzung des bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Rechts, welches im neoliberalen Paradigma durch die permanente Existenz von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit vernachlässigt wurde:

„1. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.

2. Jeder Mensch, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.“

(Artikel 23, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)

Die Arbeitsbedingungen der Jobgarantie als effektive Untergrenze

Der in der JG bezahlte Lohn wird gleichzeitig zum effektiven nationalen Mindestlohn. Während aktuelle Mindestlöhne nur für diejenigen, die im Privatsektor bzw. im regulären öffentlichen Sektor eine Beschäftigung finden, gelten, gilt der Mindestlohn nicht für diejenigen, die aktuell von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit betroffen sind, aber bereit wären, zum Mindestlohn zu arbeiten – diese erhalten lediglich das Arbeitslosengeld, welches in vielen Fällen ein Monatseinkommen unterhalb des Mindestlohnes bedeutet. Im Grunde macht die JG das Einführen sowie das Administrieren von Mindestlohngesetzen überflüssig, wenn abhängig Beschäftigte eine besser bezahlte und örtlich verfügbare Jobalternative haben […]. Der Privatsektor wird also zur Rekrutierung von Arbeitskräften ein besseres Angebot als jenes in der JG machen müssen. Das bedeutet, dass die JG eine effektive Untergrenze an akzeptablen Arbeitsbedingungen in den Arbeitsmarkt einzieht und somit auch ein Mittel ist, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – von Lohn über nichtgeldliche Leistungen bis hin zur Arbeitsatmosphäre – im Privatsektor zu erwirken. […]

In der aktuellen Situation, in der unfreiwillige Arbeitslosigkeit permanent existiert, sind die Kräfteverteilungen und Verhandlungspositionen auf dem Arbeitsmarkt asymmetrisch zugunsten der Arbeitgeberseite verteilt. Nicht zuletzt geht das Zeitalter des Neoliberalismus auch mit einer Schwächung der Gewerkschaftszugehörigkeit einher und hat so den Organisationsgrad der ArbeitnehmerInnen verringert, was deren kollektive Verhandlungsmacht einschränkt […]. Diejenigen mit einer vergleichsweisen geringen Arbeitsqualifikation sind jene ArbeitnehmerInnen, die im Boom als Letzte Anstellung finden und im Abschwung als Erstes entlassen werden – also diejenigen mit der geringsten Verhandlungsmacht. Folglich ist es gerade diese Personengruppe, die aufgrund der asymmetrischen Verhandlungsmacht in Situationen gerät, in denen sie eigentlich nicht zu akzeptierende Arbeitsbedingungen akzeptiert bzw. akzeptieren „muss“ […].[…] Die JG gibt diesen Personengruppen die Chance, inakzeptablen Arbeitsbedingungen zu entsagen und adressiert damit die asymmetrischen Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.

Kritik an der Idee einer Jobgarantie

Die Idee einer Jobgarantie hat auch viele Kritikerinnen. So weist beispielsweise die Wirtschaftsforscherin Friedrike Spieker in ihrem Text „Kann die Jobgarantie, was sie verspricht?“ auf die Schwachstellen des Konzepts hin.

Die verteilungspolitischen Auswirkungen einer Jobgarantie

Darüber hinaus ist das bestehende Level an Einkommens- und Vermögensungleichheit eine Bürde für die Demokratie, da es bestimmten Personengruppen ermöglicht, überverhältnismäßig großen Einfluss zu nehmen. Da die JG den am meisten Benachteiligten am unteren Ende der Einkommensverteilung einen Job sowie eine Einkommenssteigerung verschafft, beeinflusst die JG die Einkommensungleichheit positiv und ist damit eines der vielen Puzzlestücke, die zu einer Korrektur der Ungleichheit beitragen können […].

Wovon hängt der Erfolg eines JG-Programms ab?

Die JG als wirtschaftspolitische Reform hat das Potenzial, auf vielfältige Weise zur makroökonomischen Stabilisierung und zu sozial-gesellschaftlichem Fortschritt beizutragen. […] Wie bei jeder wirtschaftspolitischen Reform hängt die Realisierung der potenziellen Vorteile von der Qualität der Implementierung und den institutionellen Rahmenbedingungen ab. Das betrifft ganz konkret die Frage, wie das Design der JG in der Praxis ausgestaltet wird. Darüber hinaus sollte die JG auch nicht als Allheilmittel für makroökonomische Stabilisierungspolitik und arbeitsmarktpolitische Regulierung verstanden werden. Sie ist eines von vielen geeigneten Instrumenten, um die wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen. Aber sie ist explizit kein Ersatz für diskretionäre Fiskalpolitik, für ein gemeinwohlorientiertes Steuersystem, für eine angemessene Lohnpolitik oder für eine innovationsfördernde Industriepolitik.

Gekürzte Version des Textes: Maurice Höfgen, Dirk Ehnts: Von der Modern Monetary Theory zur Forderung einer Jobgarantie, in: Momentum Quarterly. Zeitschrift für sozialen Fortschritt, 2020, Vol. 9 No. 4, S. 227–242, CC BY 4.0.

Der Text im Lernabschnitt „Jobgarantie: Ein alternativer Ansatz für Vollbeschäftigung?“ ist ein gekürzter Ausschnitt aus „Von der Modern Monetary Theory zur Forderung einer Jobgarantie“ von Maurice Höfgen und Dirk Ehnts, in: Momentum Quarterly. Zeitschrift für sozialen Fortschritt, 2020, Vol. 9 No. 4, S. 227–242 und lizenziert unter CC BY 4.0.

Der Text „Was ist eine Jobgarantie – und was ist sie nicht?“ ist ein gekürzter Ausschnitt aus „Was ist eine Jobgarantie?“ von Max Kasy, lizenziert unter CC BY 4.0.